Heißer als Feuer: Roman (German Edition)
Zügen auskosten durfte. Ts, ts, war er doch selber schuld, wenn er es so wollte. In dem Fall kannte Shay kein Mitleid.
Ihr kurzer, hastiger Gutenachtkuss vor dem Eingang zum Gasthof war höchst unbefriedigend.
Es fehlte nicht viel, und Ian hätte laut gelacht, als er Shay am Sonntagmorgen abholte. Er hatte sie noch nie so spießig aufgemacht gesehen, in einem konservativen marineblauen Kleid aus weichem Baumwollstrick. Der Pulli des Zweiteilers hatte einen braven weißen Schildkrötkragen mit winzigen roten Stoffknöpfchen.
Ians Kirche war ein gefälliger Sakralbau im klassischen Stil, mit korinthischen Säulen vor dem breiten Doppelportal. Ein schlanker hoher Kirchturm mit einem weißen Kreuz auf der Spitze reckte sich in den Himmel. Dabei war es die Atmosphäre im Innern, die den Zauber dieses Gotteshauses ausmachte. Und der Mann auf der Kanzel, der nachhaltig für diese Aura der Nächstenliebe verantwortlich war.
Seine Predigt an jenem Morgen hatte die Liebe zum Thema. »Es gibt nicht viel oder wenig Liebe, so steht es in der Bibel«, erklärte er der Gemeinde. »Entweder man liebt oder man liebt nicht. Die Liebe ist selbstlos und nicht an Bedingungen geknüpft, andernfalls ist es keine echte Liebe.«
Shay, die in einer der vorderen Reihen saß und ihn wie elektrisiert betrachtete, hätte am liebsten geweint.
Mrs. Higgins hatte ein reichhaltiges Mittagessen gekocht, zu dem Ian die Haushälterin großzügig mit einlud. Shay schwante, woher der Wind wehte. Er wollte damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens fühlten sich alleinstehende Menschen an den Sonntagen besonders einsam. Zweitens brauchten sie natürlich eine Art Anstandswauwau.
Um drei Uhr schlenderten sie zum Sportplatz der Highschool, wo Ian mit ein paar Spielern aus dem Basketballteam zum Training verabredet war. In Shorts und Tanktop wirkte er genauso sportlich fit wie die Spieler, die im Durchschnitt fünfzehn Jahre jünger waren als er. Und er brachte die Jungs richtig ins Schwitzen. Shay, die auf der Zuschauertribüne saß, feuerte ihn an. Als er einen besonders spektakulären Punkt erzielte, schnellte er mit einer angedeuteten Verbeugung zu ihr herum und hauchte ihr einen Handkuss zu. Wieder blinzelte Shay eine heimliche Träne aus dem Augenwinkel.
»Sagen wir mal so, du warst gar nicht schlecht, alter Junge«, zog ihn einer der Typen nach dem Spiel auf.
Ian, der sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn wischte, fixierte die Jugendlichen mit einem schiefen Grinsen. »Tja, und damit habt ihr eure Wette verloren. Drei Bibelstunden in Folge, und wehe, einer von euch macht blau.«
Die Jungen stöhnten zwar in gespieltem Entsetzen, versprachen aber, regelmäßig zu kommen. Shay stellte fest, dass er einen guten Draht zu den jungen Leuten hatte und dass sie ihn respektierten und bewunderten. Und das nicht bloß wegen seiner körperlichen Fitness. Nein, sie mochten ihn auch als Menschen und eiferten ihm in vielerlei Hinsicht nach. Ian Douglas war ihr großes Idol.
Shay schluckte schwer, um den Riesenkloß in ihrer Kehle verschwinden zu lassen.Auf dem Rückweg musste sie heimlich blinzeln, gerührt von so viel menschlichem Miteinander, wie sie es in Brookside erlebte.
Nach dem abendlichen Bibelkreis zog Ian sich hastig um, bevor er sie nach Woodville brachte.
»Und? Wie hat dir meine Predigt gefallen?«, wollte er wissen, während er den Landrover durch die hereinbrechende Dunkelheit über den Highway steuerte. Es war das erste Mal an diesem Wochenende, dass er von ihr hören wollte, wie sie seine Arbeit und sein Leben auffasste.
»Sie war wundervoll«, bekannte Shay begeistert.
Wieder einmal stiegen ihr die Tränen in die Augen, und sie hatte keinen Schimmer, wieso sie mit einem Mal so nah am Wasser gebaut hatte. »Ich fand alles toll – deine Stadt, das Pfarrhaus, die alte Kirche, deine Gemeinde – einfach alles.«
»Hat es dir gefallen? War es schön für dich?«
Bemüht, ihr trockenes Schluchzen zu unterdrücken, nickte sie lediglich stumm.
Seine Miene verständnisvoll, drückte Ian zärtlich ihre Hand. Die weitere Strecke bis zu ihrem Apartment legten sie schweigend zurück.
»Brrr«, grummelte Ian. Er trug ihr Gepäck ins Haus. »Ist das kalt hier. Hast du die Heizung ganz heruntergestellt, bevor du gefahren bist?«
»Ja. Ich dachte nicht, dass es an diesem Wochenende schon so kalt werden würde.«
»Ist das Kaminholz trocken genug?«, wollte er wissen. Er deutete auf die Holzscheite, die auf dem
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