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Helden-Maus

Titel: Helden-Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte gar nicht gewusst, dass es auch diesen Befehl gab! Sie trat in den Fluss hinein und spürte seine tödliche Kälte.
    Das Flussbett fiel scharf ab; an dieser Stelle war es überraschend tief. Von Marks Beinknochen geleitet, bahnte sie sich ihren Weg hinunter, bis sie ein großes Loch unter der Wasseroberfläche gefunden hatten, das unter dem Ufer in die Tiefe führte und dann eine Drehung machte, um parallel zum Fluss zu verlaufen. Die Höhle!
    Sie musste den Kopf einziehen, um hineinzugelangen, doch war es im Inneren groß genug für sie. Bevor sie endgültig eintrat, wandte sie sich ein letztes Mal an das Skelett. »Vergiss nicht, dass du mich innerhalb einer Minute zur Luft führen musst. Wie gut entwickelt ist denn dein Zeitgefühl?«
    »Das ist ausgezeichnet«, versicherte er ihr. »Wir brauchen ein sehr präzises Zeitgefühl beim Tanzen, ebenso wie wir auch eine gründliche Koordination beim Glücksspiel benötigen.«
    »Ihr betreibt Glücksspiel? Wie denn?«
    »Natürlich indem wir Knochen rollen lassen. Ein herrlicher Zeitvertreib zwischen den Gigs.«
    »Gigs?«
    »Auftritte. Wenn eine Bestellung für einen schlimmen Traum eingeht und wir eine Vorführung haben. Man sagt uns nie rechtzeitig Bescheid, so dass wir uns manchmal richtig abhetzen müssen. Unsere Existenz besteht also aus langen Perioden der Langeweile, durchsetzt von kurzen Augenblicken des Entsetzens. Das ist genau wie Krieg.«
    »Entsetzen? Was entsetzt euch denn?«
    »Uns nichts, sondern die Empfänger der schlimmen Träume.«
    »Na schön, dann spiel bloß nicht mit deinem Zeitgefühl herum! Ich stehe selbst kurz vor einer Periode des Entsetzens, da braucht mir niemand noch nachzuhelfen!«
    »Die erste Luftblase ist nur 52 Sekunden entfernt«, erwiderte er.
    Chex wurde klar, dass sie sich einfach darauf verlassen musste. Sie atmete tief ein, was dazu führte, dass ein Fisch in der Nähe die Augen riesig weit aufsperrte, als er ihren geblähten Brustkorb sah, und sie hielt die Luft an, um schließlich in die Höhle einzutauchen.
    Da fiel ihr ihre Platzangst wieder ein. Sie bewegte sich schnurgerade auf einen abgeschlossenen Raum zu!
    Aber der war doch mit Wasser gefüllt, sagte sie sich. Die Höhle würde schon nicht einstürzen, weil sie nicht unter Druck stand; das Wasser stützte sie ab. Das musste sie einfach glauben!
    Sie hatte einigen Auftrieb, was das Gehen beschwerlich machte; sie musste die Hände nach oben strecken und sich mehr oder weniger an der Höhlendecke entlang ziehen. Marks fester Kniedruck lenkte sie, so dass sie in keine Sackgassen geriet. Es war nicht so kalt wie im Fluss, dennoch war es ungemütlich. Ihre Flügel halfen ihr ein wenig; das Gefieder isolierte und schützte ihren Oberkörper. Doch sie begann sich Sorgen zu machen: War er davon ausgegangen, dass sie im Eiltempo vorankommen würden, als er die Zeit bis zur nächsten Luftblase abgeschätzt hatte? In diesem Fall würde sie nämlich wesentlich länger brauchen, und das wäre eine Katastrophe! Sollte sie umkehren, solange es noch Zeit war?
    Sie entschied sich für das Risiko. Wenn die Luft zu weit entfernt sein sollte, würde sie den Fluss überhaupt nicht überqueren können. Und wenn sie jetzt umkehrte, würde ihre Platzangst glauben, einen Sieg davongetragen zu haben, und würde es ihr niemals mehr gestatten, es noch einmal zu versuchen. Es ging also um alles oder nichts. Die Luftblase musste einfach in Reichweite sein!
    Genau zweiundfünfzig Sekunden, nachdem sie losgegangen waren, stach ihr Kopf in eine Luftblase. Gierig atmete sie ein, ihre Gefühlserleichterung war noch größer als ihre körperliche Erleichterung. Mark hatte tatsächlich ein ausgezeichnetes Zeitgefühl!
    Die Luft wurde schnell schal; es war keine große Blase. Wieder atmete sie ein, hielt die Luft an und schritt weiter, wobei sie diesmal daran dachte, langsam aus dem Mund auszuatmen; das würde ihr bei der nächsten Luftblase Zeit ersparen und ihr zudem größere Schwere verleihen, so dass ihre Hufe etwas mehr Halt finden würden.
    Die Kälte des Wassers betäubte ihre Augen. Es war hier so dunkel, dass sie tatsächlich überhaupt nichts sehen konnte, daher schloss sie klugerweise die Augen, um sie zu schützen. Nun war sie völlig von der Leitung des Skeletts abhängig. Seltsamerweise schwand ihre Platzangst ein wenig; es war, als wäre sie nicht mehr sie selbst, sondern nur noch ein bloßes Fahrzeug, das auf fremde Direktiven reagierte.
    Einundvierzig Sekunden später erreichte sie

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