Heldenklingen
mir niemals verzeihen, wenn wir Sie verlieren würden.«
Der König hat mich hierhin abgeschoben, und es wird niemand einen verirrten Pissetropfen dafür geben, ob ich in Stücke gehauen und mein Hirn im ganzen Norden verspritzt wird oder nicht. Ich selbst am allerwenigsten. »Jawohl, Herr Marschall.« Und Gorst schritt davon, durch die Eingangstür und hinaus in den Regen, wo ihn unvermittelt ein Blitz traf.
Dort war sie . Sie suchte sich den Weg über den schlammigen Vorplatz und kam direkt auf ihn zu. Inmitten all des Schlamms und Drecks leuchtete ihr lächelndes Gesicht weißglühend wie die Sonne. Entzücken überwältigte ihn, ließ seine Haut prickeln und ihn den Atem anhalten. Die Monate, die er von ihr getrennt zugebracht hatte, sie hatten nichts geholfen. Er war so verzweifelt, hoffnungslos und hilflos verliebt wie eh und je.
»Finree«, flüsterte er mit ehrfürchtiger Stimme, so wie ein Zauberer in einer dummen Geschichte vielleicht einen Zauberspruch formulieren mochte. »Was tun Sie denn hier?« Halb erwartete er, sie würde sich in Rauch auflösen und sich lediglich als Gespinst seiner überstrapazierten Einbildungskraft erweisen.
»Ich suche meinen Vater. Ist er dort drinnen?«
»Er schreibt Befehle.«
»Wie immer.« Sie musterte Gorsts Uniformrock und hob eine Augenbraue, die der Regen von ihrem natürlichen Braun beinahe schwarz gefärbt und zu kleinen stachligen Spitzen aufgerichtet hatte. »Sie spielen immer noch im Matsch, wie ich sehe.«
Es war ihm nicht einmal peinlich. Stattdessen verlor er sich in ihren Augen. Ein paar Haarsträhnen klebten auf ihrem nassen Gesicht. Er wünschte, an ihrer Stelle zu sein. Ich dachte, nichts könnte schöner sein als du es warst, aber jetzt übertriffst du dich selbst. Er wagte es nicht, sie anzusehen, traute sich aber noch weniger, den Blick abzuwenden. Du bist die schönste Frau der Welt – nein, in der ganzen Geschichte –, das schönste Ding aller Zeiten. Töte mich jetzt, damit dein Gesicht das Letzte sein wird, was ich je in meinem Leben erblicke. »Sie sehen gut aus«, murmelte er.
Sie sah ihren durchweichten Reisemantel an, den bis hinauf zur Taille Schlammspritzer zierten. »Ich habe den Verdacht, dass Sie da gerade nicht ganz ehrlich sind.«
»Ich würde mich niemals verstellen.« Ich liebe dich ich liebe dich ich liebe dich ich liebe dich ich liebe dich ich liebe dich ich liebe dich …
»Geht es Ihnen gut, Bremer? Ich darf Sie doch Bremer nennen, oder?
Du darfst auch meine Augen mit deinen Absätzen zertreten. Solange du noch einmal meinen Namen sagst. »Natürlich. Ich bin …« Krank an Geist und Körper, mein Schicksal und mein Glück sind ruiniert, voller Hass auf die Welt und allem, was sich in ihr befindet, aber all das spielt keine Rolle, solange du bei mir bist. »… in bester Verfassung.«
Sie streckte die Hand aus, und er beugte sich darüber, um sie zu küssen wie ein Dorfpriester, dem es gestattet wird, den Gewandsaum des Propheten zu berühren …
An ihrem Finger steckte ein goldener Ring mit einem kleinen, funkelnden, blauen Stein.
Gorst drehte sich der Magen so ruckartig um, dass er beinahe die Kontrolle über seine Eingeweide verlor. Mit allergrößter Mühe gelang es ihm, aufrecht stehen zu bleiben. Die nächsten Worte brachte er nur flüsternd heraus. »Ist das …«
»Ein Ehering, aber ja!« Ob sie wohl ahnte, dass ihn kein größeres Entsetzen gepackt hätte, wenn sie ihm einen abgeschlagenen Kopf vor die Nase gehalten hätte?
Er klammerte sich an sein Lächeln wie ein Ertrinkender an das letzte Stückchen Treibholz. Dann fühlte er, wie sich seine Lippen bewegten und hörte seine quiekende Stimme. Seine ekelhafte, weibische, lächerliche Quietschstimme. »Wer ist der Glückliche?«
»Oberst Harod dan Brock.« Ein Hauch von Stolz in ihrer Stimme. Von Liebe. Was würde ich dafür geben, dass sie meinen Namen derart ausspräche? Alles, was ich habe. Und das ist nichts außer der Verachtung anderer.
»Harod dan Brock«, hauchte er, und der Name war wie Sand in seinem Mund. Er kannte den Mann natürlich. Sie waren entfernt verwandt, Vettern vierten Grades oder dergleichen. Vor Jahren hatten sie auch gelegentlich miteinander gesprochen, als Gorst in der Garde von Lord Brock, Harods Vater, gedient hatte. Dann hatte Lord Brock seine Hand nach der Krone ausgestreckt und war gescheitert, woraufhin man ihn des schlimmsten Hochverrats für schuldig erklärt und zum Exil verurteilt hatte. Seinen ältesten Sohn hatte der
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