Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
Apfel zu, den ich eigentlich essen wollte. Zufrieden gibt sie Ruhe. In der Küche zurück, mampfe ich eine Banane und einige Riegel Schokolade, im Stehen am Speiseschrank.
Den schmutzigen Fußspuren auf dem Holzboden nach zu urteilen ist Emil auch endlich zu Hause, und Emma schläft mit Kohl im Arm in ihrem eigenen Bett. Eigentlich könnte ich zufrieden sein, denke ich auf dem Weg nach oben. Irgendwie habe ich jedoch noch mehr Hunger. Ich will mir noch ein paar Honigbrote schmieren, vielleicht kommt der Schlaf mit vollem Magen, wenn es mich wie einen Stein in die Matratze drückt. Ich mache kehrt, hole ein Messer aus der Schublade und schaue es nachdenklich an. Sophie hat die Tat bereits rekonstruiert. Sie ist sicher, dass der Wickerl sich nicht gewehrt hat. Aber warum lag eine vom Kraulfuß seinen Edelklingen auf der Eistruhe? War die so stumpf wie unsere Brotmesser, oder warum hat die der Hendlbrater nicht benutzt, wenn er sie sich schon vom Fritzl ausgeliehen hat? Oder hat die sein Mörder dort vergessen?
Ich muss es herausfinden, sonst liege ich noch die ganze Nacht wach. Also ziehe ich mich leise im Schlafzimmer um und schleiche nach draußen. Im Stall, der an unsere Küche angrenzt, höre ich die Schafe wiederkäuen und leise rascheln. Ich sehe noch kurz nach den Drillingen. Schoko und Vanilla blinzeln verschlafen in die Helligkeit, wie ich das Licht andrehe, satt und zufrieden kuscheln sie am Bauch ihrer Mama. Muh, das dritte Lamm, muss ich eine Weile suchen, bis ich es unter der Raufe hinter einem Heuhaufen finde. Ich hebe es heraus und lege es zu den anderen beiden, damit es sich aufwärmen kann.
Der Nachthimmel scheint gewitterfrei. Meine Tochter hat’s ja vorausgesagt. Welcher Gaul mich reitet, dass ich um Mitternacht noch mal zum Hendlwagen muss, weiß ich auch nicht. Ein Gaul ist auch nicht da, aber ein Drahtesel. Ich benutze das Radl, damit ich niemanden aufwecke. Dem Tiger klopf ich nur mal kurz auf die Motorhaube, als ich mich abstoße und Schwung hole, ins Dorf hinein.
«Ja, Muck, wohin denn des Wegs so spät?» An der Kreuzung torkeln zwei Gestalten aufeinander zu. Ich bremse, bevor sie auf mich drauffallen. Vom Postwirt auf der rechten Seite und der Kneipe
Schaumichan
gegenüber treffen der Merkel Michi und der Dr. Sauerbuch auf der Straßenmitte zusammen.
«Sag mal, hast du etwa heute noch ein Ranweto?», lallt der Merkel.
«Ein Ranjewu, so heißt das», korrigiert der Doktor. Eine Antwort erwarten sie nicht, sie haken sich unter und schwanken gemeinsam heim, mal das rechte, mal das linke Trottoir streifend wie ein Zweierbob auf der Rodelbahn. Seit unserer Ortsverschönerung vor ein paar Jahren fehlt die Bürgersteigkante, also herrscht keine Stolpergefahr, egal wie viele Biere gekippt werden. Dafür spritzt der Straßenmatsch jetzt bei Regen oder Schnee bis zum ersten Stock unserer Vorzeigehäuser hinauf. Ich trete wieder in die Pedale.
«Hast du Feuer, zefix?», ruft jemand. Ich drehe mich um, ob den beiden Nachtschwärmern der Glimmstängel ausgegangen ist. Aber es ist nur der Schorschi, der Dorfrabe, den ich im Schein meiner Fahrradlampe sehe. Er hockt auf der Balkonbrüstung über dem
Geschenkechakra
und hat anscheinend wieder was Neues aufgeschnappt. Bei ihm ist ein Flügel verkümmert, sein Schnabel dafür ist umso munterer. Die Klunkerchristl hat ihn aufgezogen, extra ihren Balkon mit einem Netz überspannt, damit er nicht auf die Straße hüpfen kann und überfahren wird. Ich wünsche Schorschi eine gute Nacht und radle an der St. Ulrich-Kirche vorbei bis zum Tatort.
Schon komisch, dass die Hendlbude samt Jeep noch da steht wie immer und nicht von der KTU , oder wie das heißt, zur technischen Untersuchung abgeschleppt worden ist. Immerhin ist ein richtiges Band, mit «Polizeiabsperrung» drauf, vom ersten Pfosten an der Dorfstraße bis zum Apothekenparkplatz darum herumgeknüpft, aber darum kümmere ich mich jetzt nicht und steige drüber, gehe nach hinten und hebe die kleine Luke an. So ein Hendlwagen ist praktisch, der Wickerl wusste ja nie, wie er sich auf einem Wochenmarkt wo hineinquetschen musste. Also gibt es auf jeder Seite Fenster oder Türen in verschiedenen Größen. Die kleine fürs kleine, die große fürs große Geschäft, die er in Pöcking benutzt hat. Ich streife meine batteriebetriebene Fahrradlampe von der Halterung und leuchte hinein. Überall klebt Blut. Oder ist das die verspritzte Marinade? Die sah farblich so ähnlich aus. Das ist von weitem
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