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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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allen Nähten geplatzt. Alle zwölf Richter hatten sich eingefunden, trotz der feuchten Hitze eingehüllt in ihre purpurnen Roben. Heute würde es ein heftiges Gewitter geben, da war sich Melisande sicher.
    Mintrop saß im Schelkopfstor und wurde von vier Bewaffneten bewacht. Wie ein Mann traten sie zur Seite, als Melchior auf das Tor zuging. Einer riss das Eichenportal auf, die anderen schauten angestrengt ins Nichts. Der Geruch nach Angst und Fäkalien schlug Melisande entgegen, als sie sich dem Verlies näherte.
    Der Schlüsselwärter nickte ihr zu und ging voran die Treppe hinab. Vor einer schweren Tür mit Eisenbeschlägen und einer kleinen Öffnung blieb er stehen, rasselte mit seinen pfundschweren Schlüsseln und ließ den Henker eintreten.
    Mintrop war längst aufgesprungen, presste sich an die hintere Wand seines Gefängnisses und starrte Melisande mit blutunterlaufenen, schreckgeweiteten Augen an. Es sah aus, als wollte er die Wand eindrücken, aber die tonnenschweren Fundamente hätte nur ein Erdbeben bewegen können.
    Melisande zog eine Phiole aus einem ihrer Beutel und hielt Mintrop die vorbereitete Tafel hin. »Trink«, stand darauf, sonst nichts.
    Mintrop brach in Tränen aus, ließ sich ins feuchte Stroh fallen und vergrub den Kopf unter den Händen. Melisande wandte sich dem Wächter zu. Der verstand, griff sich den Todgeweihten und sperrte ihm das Maul auf. Mintrops Widerstand versiegte, Melisande goss ihm die Traumtropfen in den Hals, und schon nach kurzer Zeit entspannte sich der Mann. Ein seliges Grinsen trat auf sein Gesicht.
    Das ist mehr, als du verdient hast, dachte Melisande, deine Opfer mussten all deine Grausamkeiten bei vollem Bewusstsein ertragen. Doch dann besann sie sich. Über einen, der bald vor den Herrgott treten würde, sollte man nichts Böses denken. Sein Schicksal lag nicht mehr in der Menschen Hand.
    Nachdenklich betrachtete sie Mintrops einfältig verzerrtes Gesicht. Sie hoffte, dass sie die Tropfen nicht überdosiert hatte, denn er musste vor Gericht sein Geständnis wiederholen, damit er rechtskräftig verurteilt werden konnte.
    Auf ein Zeichen zog der Wächter den schlaffen Körper hoch und warf ihn sich über die Schulter. Oben schüttete Melisande Mintrop kaltes Wasser über den Kopf und wartete. Endlich klärte sich sein Blick. Er war bereit. Er würde alles wahrnehmen, aber nichts konnte ihm jetzt noch Angst einjagen. Er kam auf die Beine, schwankte ein wenig, aber er schaffte es, ohne Hilfe zu gehen.
    Gut, dachte Melisande, der erste Schritt ist getan.
    Die Wächter hievten Mintrop auf den Armesünder-Karren und ketteten ihn an. Die Gasse vor dem Tor war mit Menschen gefüllt. Sie schrien und schimpften, bewarfen Mintrop mit Exkrementen und faulem Gemüse. Die Wachen blieben hinter dem Karren zurück, sie wollten keine der stinkenden Gaben abbekommen. Melisande lief ebenfalls fast zehn Schritte hinter dem Wagen, anders als die Wachen musste sie sich um Platz keine Sorgen machen. Die Menge wich hastig zurück, sobald der Henker sich näherte.
    Langsam bahnte die Prozession sich einen Weg durch die Gassen. Obwohl es zum Marktplatz nur ein paar Schritte waren, schien der Marsch nicht enden zu wollen. An der Seite, wo das Katharinenhospital an den Markt grenzte, war die Tribüne für das Gericht aufgebaut worden. Sie wurde von zwei Dutzend Männern bewacht.
    Die Richter saßen bereits auf ihren Plätzen, der Schreiber hielt die gespitzte Feder in der Hand. Mintrop wurde vor die Tribüne gestoßen und auf die Knie gedrückt.
    Der Vorsitzende Kunibert von Engern entrollte ein Pergament. »Ludwig Mintrop, Sohn des ehrenwerten Jorg Mintrop, Ihr werdet beschuldigt, die Clara, Tochter des Tuchhändlers Henn, die Anna, Gemahlin des Münzmeisters Friedlein, die Kunigund, Hebamme zu Esslingen, und die Eva, Tochter des Kammmachers Auberlin, zuerst geschändet und dann ermordet zu haben. Gesteht Ihr Eure Schandtaten?«
    Mintrop glotzte von Engern verständnislos an. Melisande biss sich auf die Lippe. Sie hatte die Dosis der Tropfen dreimal überprüft. Das konnte nicht sein! Von Engern machte eine ungeduldige Handbewegung, Schweißperlen funkelten auf seiner Stirn. Eine der Wachen versetzte dem Angeklagten einen aufmunternden Hieb in die Seite.
    Mintrop zuckte zusammen. »Ich gestehe alles«, lallte er und zuckte noch einmal. Plötzlich wirkte er hellwach. »Ich habe diesen Weibern nur gegeben, was sie verdient haben. Unzüchtige, lüsterne Huren waren sie, allesamt!«
    »Haltet

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