Henry haut ab: Roman (German Edition)
ihr scheiden zu lassen, konnte sie nur schließen, dass er betrunkener war, weitaus betrunkener, als sie ihn je erlebt hatte. Ihr Kopf schmerzte, und während sie normalerweise ziemlich durchsetzungsfähig war, fühlte sie sich ohne Zähne überraschend verletzlich. Schlimmer noch: Als sie endlich auf die Füße gekommen war, wurde sie mit dem Kondom und der Unterhose konfrontiert, die er vor ihr hin- und herschwenkte.
»Da bitte, die Beweise«, knurrte er. »Ich habe sie in unserem Bett gefunden. Du dachtest wohl, ich würde in Horsham bleiben und hast dir nicht mal die Mühe gemacht, das Zeug wegzuschaffen, was? Also, ich bleibe auch nicht hier, und ich denke, dass ich wohl auch kein Problem dabei haben werde, die Scheidung zu bekommen.«
Mrs. Collinson ließ sich auf einen Stuhl fallen und versuchte verzweifelt, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Dieser Skandal wird dich ruinieren«, fuhr er fort. »Du wirst das Haus aufgeben müssen, und die Schule, und ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemals wieder einen Job als Lehrerin bekommst, nachdem das hier einem Gericht vorgelegt worden ist.« Jetzt lächelte er grausam. »Nicht dass ich diese erbärmliche Schule je gemocht hätte … all diese versnobten kleinen Schlampen. Nun, das hast du dir selbst zuzuschreiben.«
Doch Mrs. Collinson dachte gerade wirklich sehr angestrengt nach. Sie hatte mit niemandem geschlafen, und selbst wenn sie mit einem Mann zusammen gewesen wäre, warum um Himmels willen hätte sie diese dreckigen Dinge in ihrem Bett lassen sollen? Und wo war er jetzt? Das ergab doch überhaupt keinen Sinn. Irgendjemand musste die Sachen absichtlich hier deponiert haben, um sie zu ruinieren. Aber wer?
Mr. Collinson stürmte hinaus, die Hose und das Kondom am ausgestreckten Arm weit von sich haltend. Er würde irgendwo anders schlafen, verkündete er, und gleich morgen früh nach London fahren.
Mrs. Collinson stand auf und hob ihre Zähne auf, und mit ihnen auch ein klein wenig von ihrer Würde. Sie zog gerade den Morgenmantel über, um ihrem Mann nachzulaufen, als sie das offene Fenster erblickte und auf dem Boden davor eine Blüte der Kletterhortensie. Bei näherer Betrachtung, dieses Mal unter Zuhilfenahme einer Taschenlampe, die sie stets in ihrem Nachttisch verwahrte, entdeckte sie draußen unter dem Fenster einen vom Stamm abgeknickten Zweig. Offensichtlich war er von jemandem abgebrochen worden, der den ungewöhnlich dicken Stamm heraufgeklettert war. Mrs. Collinson rauschte ins Gästezimmer.
»Was willst du, verdammt noch mal?«, wollte ihr Mann wissen. »Glaub bloß nicht, dass ich meine Meinung noch ändere. Ich werde diese Scheidung bekommen und …«
»Ich möchte, dass du mit hinunter in den Garten kommst und dir etwas ansiehst.«
»In den Garten? Mitten in der Nacht?«
»Genau. Ich habe etwas gefunden, dass dieses lächerliche Theater beenden wird.«
»Na gut, aber das wird dir auch nichts helfen«, grummelte er.
Sie gingen nach unten und um die Hausecke herum zu der Kletterhortensie, wo Mrs. Collinson mit der Taschenlampe den abgebrochenen Ast anleuchtete.
»Wie ist der wohl abgebrochen, was meinst du? Und noch eine Frage. Wie ist das da in unser Schlafzimmer gekommen?« Sie zeigte ihm die Hortensienblüte. »Sag mir das.« Oh ja, sie war schließlich nicht umsonst Schuldirektorin!
Ihr Mann schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung. Vielleicht dein jugendlicher Liebhaber …«
»Willst du damit sagen, er ist da hinaufgeklettert? Wenn ja, dann zeig doch mal, ob du das auch kannst«, sagte sie. »Na los. Steh nicht einfach so da.«
Doch Mr. Collinson betastete den Hauptstamm und erkannte, dass ein erwachsener Mann unmöglich daran hätte hinaufklettern können, ohne die ganze Hortensie von der Wand zu reißen. Er drehte sich zu ihr um.
»Willst du etwa sagen, eins der Mädchen hat das getan? Ich meine, wie sollten die denn um Gottes willen an diese Unterhose gekommen sein, ganz zu schweigen von dem widerlichen Kondom? Und warum sollten sie so etwas tun?«
»Ich habe keine Ahnung, und ehrlich gesagt will ich auch gar nicht darüber nachdenken. Aber ich hoffe, du begreifst nun, dass ich keine Affäre habe. Siehst du denn nicht ein, dass ich verrückt sein müsste, die Beweise in unserem Bett liegen zu lassen?«
Sie kehrten ins Haus zurück, wo Mr. Collinson sich betreten entschuldigte und sich dann einen Whisky Soda einschenkte.
Praktischer veranlagt ging Mrs. Collinson zum Schuhschrank und zog ein paar Turnschuhe
Weitere Kostenlose Bücher