Henry haut ab: Roman (German Edition)
heraus.
»Ich gehe in die Schlafsäle und sehe nach, ob da irgendwer kichert«, erklärte sie ihm, als sie zur Tür hinausging. »Ich hab so meine Vermutungen, wer das getan haben könnte. Und, bei Gott, wenn ich Recht habe, dann werden diese Mädchen nicht mehr wissen, wo oben und unten ist, wenn ich mit ihnen fertig bin.«
Fünf Meilen entfernt fuhr ein nackter junger Mann, der einige Stunden damit verschwendet hatte, im Dunkeln nach seinen Kleidern zu suchen, gerade unter Schmerzen und ohne Licht mit dem Fahrrad nach Hause, als er von der Polizei angehalten wurde. Er war schon von mehreren Autofahrern gesehen worden, darunter drei Frauen mittleren Alters, die sofort zum Handy gegriffen hatten, um der Polizei zu melden, dass ein Flitzer auf einem Fahrrad in der Nachbarschaft unterwegs war.
Unglücklicherweise waren zwei davon an ihm vorbeigefahren, als er sich gerade an einer Hecke erleichterte.
Als er um eine scharfe Kurve bog, fand er den Weg von einem Streifenwagen versperrt. Zwanzig Minuten später wurde er, notdürftig in ein Laken gehüllt, von einem sehr schlecht gelaunten Inspektor vernommen, dem am Abend zuvor Hooligans die Windschutzscheibe seines Autos eingeschlagen hatten und der daraufhin nun alle junge Männer für Schweine hielt. Nackte, die um zehn Uhr abends ohne Licht auf Fahrrädern umherfuhren und hemmungslos in fremde Hecken pinkelten, fielen sogar in eine noch schlimmere Kategorie.
»Sie hatten also Sex mit irgendeinem Flittchen und konnten sich nicht mehr daran erinnern, wo Sie ihre Klamotten fallen gelassen hatten, ist es das, was Sie sagen wollen?«, fragte er streitlustig.
»Nein, ich habe Ihnen doch gesagt, ich war schwimmen …«
»Nackt. Richtig?«
»Ja, nackt, im Fluss. Ich habe meine Kleider am Ufer liegen gelassen. Das ist ja nicht verboten, und soweit ich sehen konnte, war niemand in der Nähe.«
»Also sind Ihre Kleider wohl einfach so verschwunden?«
Der junge Mann seufzte.
»Natürlich nicht. Irgendjemand hat sie geklaut«, sagte er.
»Dieser Jemand wäre dann das Mädchen, mit dem Sie es getrieben haben.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, ich war allein.«
»Oh ja, sicher.«
Alles in allem war es eine überaus unangenehme Vernehmung. Schließlich wurde der junge Mann in einem Streifenwagen nach Hause gebracht, wo er sich einem weiteren qualvollen Verhör durch seinen Vater ausgesetzt sah, dem örtlichen Vikar, der sein Zimmer durchsucht hatte, als er nicht nach Hause gekommen war, und in einer Schublade ein Päckchen Kondome gefunden hatte.
Die indirekte Bedrohung für seinen eigenen Ruf war zu viel für den Vikar, und seine daraus resultierende Überreaktion war definitiv zu viel für den jungen Mann. Nackt, voller Blutergüsse und ohne Abendessen ging er zu Bett. Nach dem heutigen Tag war er der Ansicht, dass Sex ganz und gar nicht das war, als was es immer beschrieben wurde, und dachte ernsthaft darüber nach, katholischer Priester zu werden, um seinem Vater eins auszuwischen.
14
Lady Clarissa hatte einen schwierigen Tag in Ipford gehabt; sie hatte versucht, ihren Onkel Harold dazu zu bewegen, im Letzten Zapfenstreich zu bleiben. Er hatte sich schlichtweg geweigert.
»Es ist ja nicht nur der Zapfenstreich: Das hier ist der letzte Ort auf der Welt, wo ich sein möchte. Da würde ich lieber den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen. Wenn da einer mitten in der Nacht herumbrüllt oder schreit, kann man da wenigstens sicher sein, das irgendjemand dafür sorgt, dass er aufhört, und nicht mal Sträflinge müssen so ein lächerliches vorzeitiges Totenhemd tragen. Diese sadistische Heimleiterin versucht immer wieder, mir einen Katheter in den Penis zu schieben, und gibt mir keinen Nachttopf. Wenn du mich nicht in einer anständigen Pension unterbringst, sorge ich dafür, dass die Situation mit deinem Mann für dich extrem unangenehm wird.«
Clarissa konnte sich nicht vorstellen, wie er das anstellen wollte.
»Nun ja, ich werde es versuchen, aber ich kann nichts garantieren …«
»Dann denk mal lieber angestrengt nach. Ich weiß, was du treibst, wenn du hierherkommst, angeblich, um mich zu besuchen. Glaubst du, Gadsley weiß, dass du mit dem Mann schläfst, der dich herfährt?«
»Wovon redest du denn?«
»Ehebruch. Oder Unzucht, wenn dir das lieber ist. Weißt du, der Manager vom Black Bear Hotel war in der Armee. Lange nach meinem Krieg natürlich, aber ich habe ihn inzwischen doch ganz gut kennengelernt. Er kommt immer seine Mutter besuchen, diese
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