Herr Bofrost, der Apotheker und ich
ich Sie so überrasche«, sagte die Fremde verlegen. »Vielleicht hätte ich doch besser anrufen sollen.«
»Nein, nein, das ist schon okay.« Laura klang atemlos. »Entschuldigen Sie, wie es hier aussieht. Vielleicht sollten wir lieber ins Wohnzimmer gehen.«
»Wenn Sie möchten. Aber ich finde es hier ganz gemütlich. Küchen haben so was, da redet es sich oft leichter«, sagte die Schöne.
»Ja, ist ja auch egal«, sagte Laura flach. »Bleiben wir hier. Setzen Sie sich.« Sie erhob sich steifbeinig, um die leeren Fischdosen in den Müll zu befördern.
»Soll ich lieber gehen?«, fragte ich. Ich hätte mich liebend gern verpieselt. Irgendetwas lag hier in der Luft, und ich hatte keine Ahnung, ob Laura mich brauchte oder meilenweit weg wünschte.
»Nein, bleib!«, sagte sie hastig. »Das ist Frau Franke. – Meine Freundin Helena.«
Franke? Hatte Laura den Namen jemals erwähnt? Irgendwie schien mir, ich müsse ihn kennen, aber ich konnte ihn beim besten Willen nicht unterbringen.
Ich setzte frischen Kaffee auf.
Die Schöne nahm Platz. »Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen. Ich habe mich gestern idiotisch benommen.«
Ach du Scheiße! Das war Lukas' Frau! Dr. Lukas Franke – natürlich! Na, aber darauf musste man erst einmal kommen! Mit einer Sowjetagentin hatte die so wenig Ähnlichkeit wie Nastassja Kinski mit Angela Merkel. Und wieso meinte sie, sie habe sich idiotisch benommen? Der Auftritt gestern war doch wohl grandios gewesen, nach allem, was Laura erzählt hatte. Geradezu Oscar-verdächtig.
Auch Laura sah sie verständnislos an.
Die Schöne lächelte. Kein bisschen überheblich, eher so, als mokierte sie sich über sich selbst. »Ich war so wütend«, sagte sie ruhig. »Darum habe ich das Erstbeste getan, was mir einfiel. Ich habe den ersten Flug nach Leipzig genommen und mir nur überlegt, wie ich Lukas und Sie schocken könnte. Richtig nachgedacht habe ich erst hinterher.« Ich stellte ihr einen Becher Kaffee hin. Ihr Blick fiel auf meine Zigaretten, die auf dem Tisch lagen. »Darf ich rauchen?«, fragte sie.
Laura nickte mechanisch. Starrte die Frau an, als erwartete sie, im nächsten Moment exekutiert zu werden. Die Lady öffnete, scheinbar völlig gelassen, ihre Handtasche, zog – nein, keine kleine, vergoldete Pistole, sondern eine Schachtel Dunhill und ein gelbes Plastikfeuerzeug hervor. Doch ihre Finger zitterten ein ganz klein wenig, als sie ihre Zigarette anzündete. Mit flatternden Händen griff ich nach meinen Marlboros.
»Jedenfalls«, die Frau des Ehebrechers lehnte sich zurück, entspannte sich etwas, »jedenfalls war das Blödsinn, was ich gestern gesagt habe. Ich will ihn nicht zurück. Das Vertrauen, das ich einmal hatte, lässt sich nicht wiederherstellen. Und das Gefühl, die Eine und Einzige für ihn zu sein, auch nicht. Sie können ihn haben. Sofort.« Sie sagte es, als handelte es sich um einen abgemeldeten VW-Käfer mit Getriebe- und Motorschaden. Von den Roststellen ganz zu schweigen.
Laura glotzte die Frau sprachlos an.
Jetzt war ich wohl dran. »Seit wann wissen Sie von der ganzen Sache?«, fragte ich.
»Seit vorgestern Abend«, sagte die Schöne. »Ich wollte Lukas anrufen. Aber er hatte sein Handy zu Hause liegen lassen, und da fiel mir auf, dass ich nicht einmal wusste, in welchem Hotel er eigentlich wohnte. Also habe ich einen seiner Kollegen angerufen, mit dem er befreundet ist, und der hat mir die Adresse des Hotels gegeben. Aber mir kam da alles schon ein wenig komisch vor, darum habe ich mich mit einem anderen Namen gemeldet, als ich dort anrief Man sagte mir, Lukas sitze im Restaurant. Ob man ihn holen solle oder ob ich mit seiner Frau verbunden werden wolle.« Sie trank wieder einen Schluck Kaffee, zog an ihrer Zigarette.
Oje, was für ein mieser Ehebrecher! Vergisst sein Handy!
»Natürlich wollte ich weder das eine noch das andere, als ich das hörte«, erklärte die Frau des Dilettanten. »Stattdessen habe ich wieder diesen Kollegen angerufen. Kriegte diesmal seine Frau ans Telefon, und wir hatten ein sehr aufschlussreiches Gespräch von Frau zu Frau. Und ich begriff – es war die klassische Konstellation: Alle wussten es, nur die betrogene Gattin nicht.«
Echt? Alle wussten es? Ich schaute Laura überrascht an. Und sah sofort – sie hatte nicht gewusst, dass alle es wussten. Sie starrte Lukas' Frau so entsetzt an, als hätte die ihr gerade mitgeteilt, ihr Mann sei seit Jahren HIV-positiv.
»Und wieso haben es alle gewusst?«, fragte ich
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