Herr der Finsternis
werden.«
»Ah, und Ihr wollt also dem Verbrechen, Zeugen bestochen zu haben, einen Mord hinzufügen?«
»Ich werde meine Klinge nicht an dir benetzen«, sagte er. »Doch mein Bruder hat andere Freunde, die nicht von so edler Geburt sind wie ich und vielleicht auch nicht so übertrieben wählerisch.«
»Ja, Euer Bruder war fürwahr edel. Edelmütig hat er Gräber geplündert, und edelmütig hat er versucht, ein Langboot zu besteigen, das keinen Platz für ihn hatte, und edelmütig hat er gestohlene Schätze an seine Brust gedrückt, selbst wenn sie ihn ertränken sollten. Seid Ihr gleichermaßen edel, Don Gaspar?«
Sein Zorn flog auf. Er schritt auf mich zu und streichelte sein Schwert dabei noch heftiger.
»Edel genug, um dich nicht auf der Straße aufzuschlitzen, was du verdient hättest, lutherischer Hund! Soll sich das Gericht rechtmäßig mit dir befassen. Doch ich sage dir dies, Engländer: Wenn du durch irgendeinen Winkelzug deines Herrn Don João von der Untersuchung freikommst, dann wirst du mir Antwort stehen müssen!«
»Und Euren Freunden auch, nehme ich an? Oder werdet Ihr mich von Mann zu Mann herausfordern?«
Zur Antwort spuckte er mir vor die Füße, schnaubte mit den Nüstern, wirbelte herum und marschierte überaus pompös davon.
Mein erster Drang war es, darüber zu lachen, denn er war mit seinem Prahlen, dem Liebkosen des Schwertes und den Drohungen so komisch und geschwollen vor Stolz, daß ich versucht war, ihn für einen Hofnarren zu halten. Und doch wußte ich, daß dies ein Fehler war. Denn solche Männer – geschwollen wie Schweineblasen, voller Stolz auf ihre Herkunft und Tugenden – sind die gefährlichsten, denn sie sind schwach und bedecken ihre Schwäche mit solchen Taten, durch die sie in den Augen anderer kühn wirken. Einer, der wirklich stark ist, kann die Achseln zucken, lachen und sich von einem Zwist abwenden, der unter seiner Würde ist; doch der Schwächling, der Stärke vortäuschen muß, hat diese Weisheit nicht; er schlägt feige im Schutz der Nacht zu, verfolgt seine Feinde mit bloßer nachtragender, greinender Beharrlichkeit, bis er durch Betrug oder boshafte Verschwörung den Triumph bekommt, den er haben muß. Hätte ein anderer erfahren, wie sein Bruder umgekommen war, so hätte er den Verlust seines Blutsverwandten betrauert, doch keinen Groll gegen den gehegt, der ihn getötet hatte. Doch ich hatte mir hier fürwahr einen gefährlichen Feind verschafft. Man muß die Hornisse oftmals mehr fürchten als den Löwen.
Und doch, wenn ich mich vorsah, würde ich eine Zeitlang keinen Streit mit ihm zu befürchten haben. Wie sein Bruder war er eitel und müßig und feige, und seine Position war gefährdet, daß er sich keine weiteren Untaten mehr leisten konnte. Er hoffte, die Untersuchung würde mich verdammen und ihm die Mühe ersparen. Doch wenn ich mit einem Freispruch daraus hervorgehen sollte, wäre es eine andere Sache; dann mußte ich viel Ärger von ihm erwarten.
Ich verdrängte ihn für den Augenblick aus meinen Gedanken.
Die Untersuchung war nun verschoben. Denn wie Don João de Mendoça vorausgesagt hatte, war die Autorität von Gouverneur d’Almeida durch die Exkommunikation völlig zerschmettert worden. Es war nicht das gleiche, als wäre ein König Heinrich oder eine Königin Elisabeth von einem fremden Papst verdammt worden, während sie noch sicher und mächtig in England saßen. São Paulo de Luanda war damals eine kleine Stadt: Jeder darin bekannte sich dazu, ein gläubiger Katholik zu sein, abgesehen von jenen Schwarzen, die insgeheim Heiden waren, und dem einen englischen Protestanten, der dort unfreiwillig verweilte; es war d’Almeida unmöglich, seine staatlichen Funktionen auszuüben, solange er außerhalb der Gemeinschaft seines Glaubens stand. Jeder, der sich mit ihm abgab oder seinen Befehlen nachkam, ging die Gefahr der gleichen schrecklichen Exkommunikation ein; daher war er isoliert. Wenn er in die Stadt hinausginge, wäre er für den anderen unnahbar, wie ein Lepra- oder Pestkranker, daher war er in seinem Palast gefangen. Und ein Gouverneur, der nicht hinausgehen und dessen Befehlen man nicht nachkommen kann, ist kein Gouverneur.
Mehrere Wochen lang ähnelte der Ort einer Totenstadt. Es wurden keine Geschäfte getätigt, die Straßen waren leer. Man sah weder die Jesuiten noch den Gouverneur. Es fanden Gespräche der mächtigen Männer dieses Ortes statt, wobei die eine Partei von Don Jeronymo d’Almeida und die andere von Don
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