Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Stunden werden die neuen Paladine bestimmt.«
»Jetzt nicht mehr.« Bren sah auf die Überreste des Tempels der Mondmutter, deren Rauch sich ölig vor die Sterne legte. Eine der zerbrochen am Boden liegenden Statuen hatte angeblich Helion gezeigt. Eine plausible Annahme, schließlich hatte sein Sieg im Silberkrieg den freien Reichen zwei Jahrzehnte erkauft. Aber Bren hütete sich, diese Vermutung mit Lisanne zu teilen. Er wollte sie nicht reizen.
Lisannes lange, schmale Finger tasteten nach der Platinkette, die in filigranen Ranken ihr Dekolleté bedeckte. Der Rubin, der einst im Schwert ihres Geliebten eingearbeitet gewesen war, schimmerte fahl im Zentrum des Geflechts. Bren wusste, dass die Paladine der Mondschwerter jeden Tag ihre Gedanken in diese Edelsteine beteten. Jetzt waren das Juwel und die darin enthaltenen Erinnerungen alles, was Lisanne von Helion geblieben war.
»Ihr habt Euch sorgfältig auf diese Nacht vorbereitet«, sagte Bren, während er neben Lisanne durch die von Trümmern gesäumten Straßen schritt. Binnen zweier Monate hatten sie die Truppen hierhergeführt. Bren hatte Festungen und wehrhafte Städte umgangen, um so schnell vorstoßen zu können. Lisanne hatte an Ritualen mitgewirkt, die alte Gefallen von Wasserdämonen im Meer der Erinnerung einforderten. Die Priester der Menschen würden sich nicht so leicht wieder auf einer Insel versammeln können. Die Lenkung ihres gemeinsamen Feldzugs hatte sie ganz Bren überlassen. Dahinter vermutete er das Kalkül, dass der Sieg, der nun errungen war, ein gemeinsamer Erfolg war – eine eventuelle Niederlage jedoch wäre allein sein Versagen gewesen. Er fragte sich, ob Lisanne diese Möglichkeit vorgezogen hätte.
Ihr Lächeln blieb undeutbar. War es zynisch, oder kräuselte echte Wehmut die Lippen? »Ihr meint das Kleid.«
»Ja.«
Lisanne hatte ein Gewand mit ilyjischem Schnitt angelegt. Von der schmalen Taille aufwärts bestand es aus gewickelten Stoffbahnen, die die Schultern frei ließen, die Arme dagegen umwanden. Der Rock wurde von einem flexiblen Gestell gespreizt. Bren hielt einen Schritt Abstand, um nicht auf den schwarz glänzenden Stoff zu treten.
»Mir war danach, den Menschen dieses Landes zu zeigen, dass ihre neuen Herren Kultur besitzen.«
»Nun, unsere Überlegenheit auf anderem Gebiet haben wir ihnen ja bereits bewiesen.« Die Truppen waren nicht zimperlich gewesen, nachdem sie die Bresche in die Stadtmauer geschlagen hatten, und Bren hatte sie erst spät aufgehalten. Gerade früh genug, um die Brände unter Kontrolle zu bringen.
»Die Ritterhalle«, murmelte Lisanne, als sie ein an Verzierungen armes, lang gestrecktes Gebäude erreichten, das aus wuchtigen Quadern gefügt war. Ondrische Krieger waren damit beschäftigt, Waffen herauszutragen. Manche davon waren Attrappen aus Holz. Da Bren bezweifelte, dass es sich um ein Theater handelte, waren sie wohl zu Übungszwecken verwendet worden.
»Ihr wirkt nervös, Bren. Nicht bei der Sache. Beruhigt Euch. Der Kampf ist gewonnen. Es ist an der Zeit, in Augenschein zu nehmen, was nun unser ist.«
Bren sah auf den kahlen Eingang des Gebäudes. »Lasst mich raten: Hier hat sich Helion die Fechtkunst angeeignet?«
Langsam drehte sie den Kopf, bis sie ihn aus gefrorenen Augen ansah. »Ihr wisst gar nichts. Er wurde nicht in Akene ausgebildet. Hierher hat er sich zurückgezogen, um sich nach seiner Weihe zu sammeln. Kurz bevor er seinen ersten Schattenherrn besiegt hat, was noch in derselben Nacht geschah. Schattenbaron Ranomoff, von dem Ihr sicher noch nie gehört habt, Baronet. Dafür seid Ihr zu jung.« Immerhin fragte sie nicht mehr nach dem Grund für die Unruhe, derer sich Bren kaum erwehren konnte.
»Darin will ich Euch nicht widersprechen.«
»Eine lobenswerte Einstellung für jemanden, der so wenige Nächte geschmeckt hat wie Ihr. Ihr mögt ein passabler Feldherr sein, aber wer wird sich noch daran erinnern, wenn sich die Jahrhunderte über Eure Siege gelegt haben werden?«
»Ich danke Euch, dass Ihr mich an meine Aufgabe erinnert. Ich habe tatsächlich noch etwas zu tun.« Er verbeugte sich, wobei er sich einen gewissen Schalk gönnte, um seine Nervosität zu überspielen. »Als Feldherr.«
»Vielleicht sollte ein Feldherr «, sie betonte das Wort spöttisch, »nicht in einem Palast residieren, sondern in einem wehrhaften Bau wie diesem.«
»Ich werde meine Leute anweisen, diese Halle morgen zu erkunden und meine Sachen dorthin zu schaffen. Aber heute Nacht habe ich
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