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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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Moritz.
    Alfred sah hinüber zur Wand, wo das Hochzeitsfoto seiner Mutter hing.
    Ja, wie bei Mom …

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    14
    Alfred hatte noch ferngesehen und zwei Gläser Rotwein getrunken, doch obwohl er müde war, fand er nur schwer in den Schlaf. Der Sommer 1991 war schwül und trotz des offenen Fensters und des Ventilators empfand er die Hitze in der Wohnung als unerträglich. Den Lärm der nächtlichen Straße, die Geräusche aus dem Restaurant an der Ecke, die Musik, das Lachen und Kreischen der Gäste an den Tischen unter der Markise und die knatternden Vespas nahm er gar nicht mehr wahr. Im Gegenteil, wenn es ruhig war, vermisste er etwas. Aber der Hitze wäre er am liebsten entflohen.
    Wie gern wäre er nach Amalfi gefahren, wo seine amerikanische Kollegin Paula Remington-Casagrande ein Haus am Meer besaß. Beide hatten in den Siebzigern in ein paar Italowestern gemeinsam vor der Kamera gestanden, er meist als eiskalter Bandido oder Kopfgeldjäger, sie als unschuldige Farmerstochter oder verruchte Bardame. Dann hatte sie bei einer Premierenfeier den wohlhabenden italienischen Industriellen Ettore Casagrande kennengelernt und ihn auf der Stelle geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos und nach einer lukrativen Scheidung zog sie sich ans Meer zurück, wo sie heute lebt und malt und Gedichte schreibt und ihre beiden riesigen Maine-Coon-Katzen verwöhnt. Zu Beginn ihrer gemeinsamen Filmarbeit gab es durchaus Situationen, die zu einer Affäre hätten führen können, aber Paula war aufgrund ihrer puritanischen Midwest-Erziehung nicht imstande, über ihren Schatten zu springen. Sie spürte instinktiv, dass Alfred nicht der Mann für ein gemeinsames Leben war, und er unternahm nichts, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Er war jung, verdiente gutes Geld und hinter jeder Ecke lockte ein neues Abenteuer.
     
    Vor Kurzem hatte Paula sich bei ihm gemeldet und ihm angeboten, ein paar Wochen am Meer zu verbringen. Es gab ein Gästehaus auf dem weitläufigen Gelände und aus dem Schlafzimmer hatte man einen herrlichen Blick auf die nahe Küste. Paula war eine Frau mit einem bissigen Humor, sie war schlagfertig und hatte großes parodistisches Talent. Sie war der einzige Mensch, der in der Lage war, Tiere und selbst Pflanzen nur durch minimale Gesten zu imitieren.
    Hätte er diese Rolle nicht angenommen, er wäre gefahren. Aber so freute er sich, wieder einmal mit Aldo Serafini zusammenzuarbeiten, einem Regisseur, der ihn regelmäßig besetzte und ihm über die Jahre die Treue hielt. Es handelte sich um eine TV -Adaption der »Dame mit dem Hündchen« von Tschechow. Der Stoff war in die Jetztzeit verlegt worden und er spielte darin den kranken Ehemann der Anna Sergeevna, einen russischen Oligarchen. Es war keine große Rolle, aber die Abende mit Aldo in den besten Restaurants von Triest waren es wert. Sie würden über alte Zeiten reden und sich darüber auslassen, wie das Fernsehen an Qualität verloren hatte, dass heute jeder Anfänger sofort zum Superstar hochgeschrieben würde und die Produzenten keine Eier mehr hätten.
     
    Endlich war er eingeschlafen, als das Telefon schrillte. Alfred griff nach dem Hörer:
    Pronto, sagte er.
    Capitaine Maurizot, Gendarmerie de Nice, sagte ein Mann, Monsieur Kleefeld?
    Oui, sagte Alfred.
    Sie sind der Sohn von Madame Barbara Kleefeld?
    Ja, sagte Alfred nervös und schaute auf die Uhr. Es war fast Mitternacht.
    Ich habe traurige Nachrichten für Sie, Monsieur. Ihre Maman, also, sie ist gestorben. Mein Beileid.
    Alfred war wie gelähmt.
    Was soll das heißen?, fragte er, um im selben Augenblick zu denken: Wie blöd war das denn?
    Ihre Mutter, also, wir haben sie gefunden, gegen 21  Uhr.
    Sie haben sie gefunden? Wo haben Sie sie gefunden?
    Monsieur, es tut mir leid, das zu sagen, aber sie hat sich aus dem Fenster gestürzt und lag auf dem Parking hinter dem Haus.
    Wie kann das sein?, dachte er. War ihr schwindelig geworden, war es Übelkeit, hat sie das Gleichgewicht verloren, wollte sie ihre verschissenen Geranien gießen? Nachts?
    Sie meinen, sie ist aus dem Fenster gefallen, sagte Alfred.
    Gefallen würde ich es nicht nennen wollen, sagte der Polizist belehrend und fuhr fort, wenn ich sage gestürzt, dann meine ich gestürzt, wenn sie verstehen, Monsieur.
    Aber was ist der Unterschied?
    Wir haben den Verdacht, dass Ihre Mutter Selbstmord begangen hat.
    Selbstmord! Das Wort zischte ihm wie Säure ins Hirn.
    Sie glauben, Sie hat sich umgebracht?, fragte Alfred nach.
    Das ist bei Selbstmord

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