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Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition)

Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition)

Titel: Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Magnus Enzensberger
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sollte, ist nicht ganz klar. Zu den vielen Besonderheiten ihres Berufs gehört es, daß die Kandidaten sich, anders als Ärzte, Piloten, Dachdecker oder Autofahrer, keinem Rigorosum, keinem Test, keiner Gesellen-, Meister- oder Fahrprüfung unterziehen müssen.«

135 »Ein zweiunddreißigjähriger Argentinier aus großbürgerlichem Hause«, erzählte Z., »sah sich eines Tages mit der Frage konfrontiert, wie man Zahnpasta herstellt. Jemand hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, daß es auf der karibischen Insel, für deren Industrie er als Minister verantwortlich war, nicht nur an Bohnen, Milch und Waschpulver, sondern auch an Zahnkrem fehlte. Wenigstens diesem Mangel hätte er gerne abgeholfen. Doch konnte er sich beim besten Willen nicht um solche Details kümmern; denn zu allem Überfluß war er auch noch zum Chef der Nationalbank ernannt worden, und in dieser Eigenschaft mußte er alle frischgedruckten Peso-Notenunterschreiben.
    Obwohl er zeitlebens unter Asthma-Anfällen litt, konnte er sich seine geliebte Zigarre nicht abgewöhnen, ein Trost, der den meisten seiner Mitbürger versagt blieb, weil es auch an Zigarren fehlte. Vielleicht trug diese traurige Situation dazu bei, daß er nach ein paar Jahren von all seinen Ämtern zurücktrat; oder sollte es daran gelegen haben, daß die Ökonomie des Landes am Boden lag?
    Kurz darauf wurde Ernesto Guevara de la Serna, besser bekannt unter dem Spitznamen »Che«, weltberühmt. Sein Porträt mit der Baskenmütze war in den meisten Studentenbuden der westlichen Welt zu sehen, und viele hatten den Eindruck, er sei, wie Jean-Paul Sartre sagte, ›der vollständigste Mensch unserer Zeit‹. Das legt den Schluß nahe, daß die Ahnungslosigkeit kein Vorrecht unserer Führungskader ist.«

136 »Was würden denn Sie tun, wenn Sie als Diktator an die Macht kämen?« – »Wenige«, sagte Z., »sind, glaube ich, zu dieserProfession ungeeigneter als ich. Aber bitte, wie Sie wollen! Als erstes würde ich alle Motorräder verbieten, weil sie viel zu laut und viel zu lebensgefährlich sind. Dann käme die Reklame an die Reihe. Sie verursacht enorme Mengen von Müll, verschandelt die Landschaft und stiehlt den Leuten die Zeit. Aber natürlich möchte ich ebensowenig wie Sie in einem Land leben, in dem ich Diktator wäre.«

137 Der letzte Sprecher erwies sich als beharrlich. »Das mag schon sein«, fing er an. »Trotzdem kommt es mir so vor, als hätten Sie ein gespaltenes Verhältnis zur Demokratie.«
    »Wie Sie vielleicht bemerkt haben, sind Glaubensbekenntnisse nicht meine starke Seite. Aber wenn Sie mich so direkt fragen: Ja, ich habe eine starke Vorliebe für diese Form der Regierung, vielleicht weil ich ein paar Jahre in einer Diktatur gelebt habe. Nur schade, daß von ihr nicht mehr viel übriggeblieben ist. Wir werden längst von Abkürzungen regiert, die in keiner Verfassung der Welt vorkommen: vom ESM, vom EFSM, vomIMF, von der EZB, von einer Kommission, die wir nicht gewählt haben, und von einer Euro-Gruppe, die im Hinterzimmer tagt. Ihr einziger Kontrahent sind die sogenannten Märkte, vor denen sie zittern wie das Kaninchen vor der Schlange. Ich bedaure, sagen zu müssen, daß wir in einen postdemokratischen Zustand eingetreten sind, den viele zu akzeptieren scheinen.«
    »Ich nicht«, protestierte der Beschwerdeführer. Den abscheulichen Zigarillo, den Z. ihm anbot, lehnte er ab.

138 »Der Beruf des Monarchen«, sagte Z., »hat mehr, als es scheint, mit dem des Heiratsschwindlers gemeinsam. Es sind dies anstrengende Tätigkeiten, in die Bigamisten und Prinzen fast ohne eigenes Zutun hineingeraten. Man kann sich die Disziplin, die ihnen abverlangt wird, und die Langeweile, die sie erdulden müssen, gar nicht drückend genug vorstellen. Weder die Anbetung, die ihnen zuteil wird, noch die Aufmerksamkeit, die sie genießen, kann die seelischen Belastungen ausgleichen, die sie zu ertragen haben.«

139 Einer von uns bemängelte, daß Z. nicht bereit schien, irgendein Thema auszulassen. »Gibt es denn nichts auf der Welt«, fragte er, »für das Sie sich unzuständig fühlen?«
    »Ich kann nur hoffen«, erwiderte Z., »daß keiner von Ihnen mich mit einer Autorität verwechselt. Ich bin und bleibe ein Amateur, schaue mich um, denke mir mein Teil und freue mich, wenn mich jemand eines Besseren belehrt. Von der Allwissenheit, die ein göttliches Attribut ist, bin ich ebensoweit entfernt wie Sie.«

140 Einem anderen wollte es nicht gefallen, daß Z. hin und wieder auf die

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