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Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition)

Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition)

Titel: Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Magnus Enzensberger
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erreicht, wäre sie nicht längst zuvor zusammengebrochen. Von den Bäumen lernen heißt vielleicht nicht siegen lernen, aber zum Überleben würde es möglicherweise reichen.«

173 » Small is beautiful. Ich fürchte, der menschlichen Psyche ist diese weise Maxime fremd.«
    Ein Abiturient in der ersten Reihe, der alle anderen überragte und öfter etwas an Z. auszusetzen hatte, witterte in dieser Bemerkung ein persönliches Problem. »Machen Sie sich nichts daraus«, sagte er, »daß Sie so klein sind.«
    Z. legte die Hand auf seinen Scheitel: »Ein Meter fünfundsechzig. Glücklicherweise gehört der Ehrgeiz nicht zu meinen Lastern, sonst hätte ich mich vermutlich aufgeführt wie viele kleine Männer, die an Größenphantasien leiden. Dabei ist es egal, ob es um einen Friseurladen oder um die Weltherrschaft geht.
    Vermutlich gehört die Angeberei zur genetischen Grundausstattung der Spezies. Superlative, Marktanteile, Wachstumsraten, Bietergefechte um den größten Diamanten, den größten Bonus, das beste Torverhältnis aller Zeiten. Selbst die Dauerklavierspieler kämpfen um ein Plätzchen im Guinness Buch der Rekorde . Je größer die Rettungsschirme und je mehr Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union, desto besser. Von allen Methoden, sich zu ruinieren, ist das immer noch die beliebteste.«

174 Manchmal kam Z. auf die Schule zu sprechen. »Wissen Sie noch, was man Ihnen damals von den Urstromtälern erzählt hat? Da, wo jetzt die Autobahnbrücke steht, soll der Fluß einst Laubhütten, krepierte Kühe, entwurzelte Bäume, kaputte Kühlschränke und Gasmasken mit sich gerissen haben. Nur wer Glück hatte und am Steilhang stand, konnte überleben. Der Lehrer nannte das Heimatkunde. Ziemlich chaotisch das Ganze. Aber das ist unser historisches Material, unsere Überlieferung. Ob es uns paßtoder nicht, wir müssen mit diesem Chaos vorliebnehmen.«

175 »Sie müssen nicht glauben, was ich Ihnen sage. Aber vielleicht können Sie es brauchen. Man muß sich der Gedanken der anderen bedienen, weil die eigenen sich sonst im Kreise drehen.« So Z., um seinen Hang zum Ideen-Diebstahl zu rechtfertigen.

176 »Sie haben uns erzählt, Sie wüßten die Unauffälligkeit zu schätzen, Herr Z.«, sagte einer, der sich schon des öfteren durch seine Einwände hervorgetan hatte. »Aber diesem Ideal steht Ihre Sprache im Wege; denn sie ist, wie soll ich sagen, ziemlich hochgestochen.«
    »Wer glaubt, er könne ohne Rhetorik auskommen, der ist, wie diese ehrwürdige Metapher zeigt, auf dem Holzweg. Der Schmuck der Rede dient dazu, der Langeweile und dem Überdruß des Publikums entgegenzuwirken.«

177 »Staffieren Sie deshalb Ihre Reden mit Zitaten aus?« – »Warum schmücken fast alle Menschen ihre vier Wände mit Bildern, auch wenn es nur ein Plakat oder ein altes Photo ist? Und die Tiere stehen uns darin nicht nach. Denken Sie nur an die Elster, die alles, was glitzert, stiehlt und ihr Nest damit ausstaffiert.«
    »Oder an die Laubenvögel«, stimmte unser Zoologe ihm zu. »Ihre Ornamente sind äußerst aufwendig. Sie bauen Hütten und legen Alleen an, die sie mit Hunderten von bunten Muscheln, Federn, Schneckenhäusern und Cola-Dosen dekorieren.«

178 »Das ganze Theater«, warf der hochgeschossene Abiturient ein, »dient doch nur einem einzigen Zweck: der Balz.«
    »Eben! Der Sinn der Sache ist die Verführung. Genauso wie eine gelungene Fassade oder die Tricks, mit denen wir unseren Reden ein wenig Glanz zu verleihen suchen. Aber glauben Sie wirklich, daß es dabei nur um Sex geht? Mit der Reduktion auf das Millimeterpapier und den Würfel werden sichweder unsere Talente noch unsere Sinne zufriedengeben.«

179 »Der Haß, mit dem unsere Architekten und Investoren jeder Zierde begegnen, kommt mir menschenfeindlich vor. Sie berufen sich auf den armen, schwerhörigen Adolf Loos und reden den einzigen Satz nach, den sie von ihm zu kennen glauben: Das Ornament sei ein Verbrechen. Aber das ist ein Mißverständnis. Dieser Mann hatte Phantasie und legte Wert auf Eleganz. Sie hingegen, sie sparen an jedem Schmuck, weil sie nur an ihre Rendite denken.«

180 Wir waren auf eine neue Tirade gegen die Architekten gefaßt, aber wir hörten ihm gerne zu, weil ihm stets eine neue Variante zu diesem Thema einfiel. »Das Haus ist konservativ. Es hat der Bequemlichkeit zu dienen. Dreimal dürfen Sie raten, wer das gesagt hat. Es war ebenjener Adolf Loos, auf den sich die misanthropischen Vertreter der Bauzunft berufen. Diese Leute

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