Herrscherin des Lichts
Bran schon bald nicht mehr die geringste Ahnung hatte, in welcher Richtung sich der Ausgang befinden könnte. Genau das sollte damit offenbar erreicht werden.
Alles, was er tun musste, war, die Ruhe zu bewahren und sich auf seinen Auftrag zu konzentrieren. Je eher er den ausgeführt hatte, desto schneller konnte er diesen abscheulichen Ort wieder verlassen. Und sobald der König erst einmal die Unterstützung der Drachen hätte, wäre auch das lächerliche Exil beendet, und sie alle würden endlich zu ihrer eigenen Rasse und in ihre eigenen Quartiere zurückkehren können.
Hinter der nächsten Abzweigung tat sich abrupt ein spärlich beleuchteter Raum vor ihnen auf. Im flackernden Licht der Feuerstellen im Boden funkelten mehrere längliche Münzhäufchen, Ausläufer eines gewaltigen Berges aus Goldstücken, Juwelen und anderen Kostbarkeiten. Darauf lag eine zusammengerollte, gelbgrüne, mit Schuppen bedeckte Masse.
„Ein Abgesandter des Elfenherrschers“, sagte der Bote leise, und zwei orangefarbene runde Augen mit schlitzförmigen schwarzen Pupillen leuchteten in der Dunkelheit auf, als der Drache erwachte.
Der Mensch setzte sich neben ihn und sagte: „Die letzte Kontaktaufnahme des Elfenoberhauptes mit uns liegt lange zurück.“
Bran starrte den Sterblichen an, erschüttert, dass dieser wie selbstverständlich an einem Gespräch zwischen zwei ihm übergeordnetenWesen teilnahm. Doch dann zog sich die Pupille in einem der orange glühenden Augen zusammen, und Bran verstand. Der Drache sprach durch seinen Menschen.
Er verbeugte sich rasch. „Viel zu lange, soweit es meinen Meister betrifft.“
„Und wer ist Euer Meister? Wir hörten, dass die Königin der Diebe ein unseliges Ende gefunden haben soll.“ Zwischen den Zähnen des Drachen quoll eine Wolke schwefligen Rauches hervor, und dabei machte er ein Geräusch, das man, wäre es von jedweder anderen Kreatur gekommen, für ein Lachen hätte halten können.
„Ja. Mein Meister, König Garret, hat in der Tat den Verlust seiner Schwester zu beklagen.“ Bran gab einem seiner Wachleute, der die Schatulle mit den Juwelen trug, ein Zeichen. „Wie dem auch sei, er freut sich sehr darauf, mit Eurem Volk eine langfristige Allianz aufzubauen, die zu unser beider Vorteil sein wird.“
Der menschliche Helfer erhob sich und nahm von dem Wachmann die geöffnete Schatulle entgegen. Dann hielt er sie vor das ungeheuer große Auge, und in den Schuppenberg kam Bewegung. Ein Schwanz wurde ausgerollt und wirbelte dabei eine Woge Münzen unter sich auf. Er war lang und mit spitzen knöchernen Stacheln versehen. Eine Klaue, größer als der Kopf des Menschen, im Vergleich zum übrigen Körper der Kreatur jedoch verhältnismäßig klein, schnellte vor, und der Inhalt der Schatulle wurde erstaunlich behutsam mit einer schwarz glänzenden Kralle durchstöbert.
Der Mensch kehrte zu seinem Platz neben dem Drachen zurück und setzte sich. „Ein wahrlich armseliges Geschenk, angesichts dessen, was uns zuvor heimtückisch gestohlen wurde.“
„König Garret ist sich dessen bewusst, dass wir Euch bedeutend mehr schulden als dieses bescheidene Präsent. Leider ist es ihm momentan nicht möglich, die Euch zustehenden Güter zurück in Euren Besitz zu übergeben.“ Bran räusperte sichund gab vor, über das, was er als Nächstes sagen würde, zutiefst beschämt zu sein. „Er weilt bedauerlicherweise zurzeit im Exil.“
„Exil?“ Ein zweites, von gelblich grauem Qualm begleitetes Lachen. „Welcher König lässt sich aus seinem eigenen Reich vertreiben? Und wie kann ein männlicher Elf Herrscher Eures Volkes sein?“
Dieses Wesen ging eine Spur zu unbekümmert mit der ganzen Situation um. Es zeigte nicht den Respekt, der einem Abgesandten des Elfenkönigs eigentlich entgegengebracht werden sollte. Bran schluckte seinen Ärger hinunter, bevor er antwortete: „Er ist das Opfer einer Intrige geworden. Seine Gefährtin, eine arglistige Halbelfe ohne einen Tropfen königlichen Blutes und auch sonst ohne jedwegen Anspruch auf den Thron, hat sich bei mehreren wichtigen, aber offensichtlich leicht zu beeinflussenden Personen am Hof eingeschmeichelt, um mit deren Hilfe den König in die Verbannung zu zwingen.“
Die Augen des Drachen fielen mehrmals nacheinander zu und öffneten sich kurz darauf wieder, während er seine Gedanken durch den Mund des Menschen in Worte umwandelte. „Ihr langweilt uns. Eure politischen Angelegenheiten sind für uns nicht von Belang.“
„Verzeiht
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