Herzen aus Stein (German Edition)
wie ihn beschäftigen? Was wü r den die Menschen mit ihm machen, wenn sie wüssten, was er war?
Vielleicht könnte er Privatdetektiv werden. Das würde ihm gefa l len. Tagsüber nahm er in seiner Gestalt als Mensch die Aufträge an, um nachts, im Schutz der Dunkelheit … Nein, das ging nicht. Ve r dammt! Immer machten ihm diese scheiß Tabletten einen Strich durch die Rechnung. Er würde längst tot sein, bevor er auch nur einen Cent verdient hatte.
Als er auf der Dachterrasse des Hotels ankam, war alles still. Im Zimmer brannte kein Licht. Vincent sah dank seiner scharfen Augen, dass Noir friedlich schlief. Das Handy hatte sie neben sich auf dem Kopfkissen liegen. Alles war ruhig und sie würde gewarnt werden, falls sich ihr Dämonen näherten. Die Kristalle beschützten sie z u sätzlich. Er atmete auf. Noir war im Moment gut aufgehoben.
Er gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor er sich auf den langen Weg zurück zum Gelände der Baumwollspinnerei machte, in der Hoffnung, dort s einen Beutel mit den Pillen zu finden. Das wü r de ihm noch einige Tage mehr an Noirs Seite gewähren. Wenn er irgendwann fühlte, dass es mit ihm zu Ende ging, konnte er immer noch die Bruderschaft bitten, Noir einen anderen Beschützer zuz u teilen.
Jetzt, da er wusste, dass er keine Medizin mehr bekam, hatte er das noch dringendere Gefühl, sie unbedingt zu brauchen. Während er fast denselben Weg zur Baumwollspinnerei lief, den er Noir zurüc k gebracht hatte, bekam er Schweißausbrüche. Seine Oberschenke l muskeln zitterten, ihm war schwindelig und er fühlte sich schwächer als sonst. Gut, das konnte mit dem Dämonenangriff zusammenhä n gen und mit dem Zauber, den Noir angewandt hatte, aber das glau b te er nur bedingt.
Als das abseits gelegene Gelände in Sicht kam, verlangsamte er das Tempo und schlich im Schutz der Dunkelheit näher heran. Er wollte keinem Dämon in die Arme laufen. Doch als er den Innenhof e r reichte, schien alles verlassen. Er versuchte, die Pillen anhand ihres scharfen Geruches zu finden, doch alles , was er roch , waren Asche und Dämonenblut. Der Gestank war übermächtig. Daher musste er sich auf seine anderen Sinne verlassen.
Die flackernden Neonröhren an den Gebäuden spendeten seinen empfindlichen Augen genug Licht, und nachdem er etwa eine Vie r telstunde umhergestreift war, fand er seinen Beutel neben dem Ba u fahrzeug, auf das er gemeinsam mit dem Flugdämon geknallt war. Der kleine Sack war zerdrückt, weil Vince wohl darauf gefallen war, während der Dämon ihn attackiert hatte. Eine winzige orangerote Pfütze hatte sich unter dem Leder gebildet.
Sein Herz sank. Jetzt nahm er den stechenden, bitteren Geruch wahr, den die Medizin verströmte. Wie viele von den wenigen Pillen hatten überlebt? Mit zitternden Fingern öffnete er den klebrigen Beutel und drehte das Innenfutter nach außen. Eine einzige unve r sehrte Tablette fiel in seine Hand.
„ Verdammt! “ , fluchte er, dass seine Stimme an den Hauswänden widerhallte. Vincent zuckte zusammen. Er fühlte sich unwohl an diesem Ort, als ob die Geister der Dämonen, die er getötet hatte, mit unsichtbaren Händen an ihm zerrten. Was Unsinn war, denn die Höllenwesen besaßen nicht einmal eine Seele.
Sollte er die Pille noch aufbewahren? Er entschied sich, sie jetzt zu nehmen und schluckte sie hastig hinunter, aus Angst, sie könn t e ihm auch noch abhandenkommen . Sofort glaubte er, sich besser zu fü h len, obwohl das natürlich nicht sein konnte. Dennoch atmete er auf. Soeben hatte er etwas Zeit gewonnen.
Er wollte zu Noir zurückkehren, als seine Sinne eine Veränderung in der Atmosphäre registrierten. Instinktiv duckte er sich hinter das Fahrzeug. Keine Sekunde zu früh, denn er hörte das verräterische Knistern, das entstand, wenn sich ein Dämonenportal öffnete, g e folgt von dem Duft nach Ozon. Vorsichtig lugte er an dem Baufah r zeug vorbei. An einer Hauswand hatte sich ein Tor gebildet. Ein Mann stieg hindurch und die Öffnung schloss sich hinter ihm.
Irgendwie kam Vincent der Typ bekannt vor. Groß , schlank, bra u nes Haar – das war der Unterweltler, der in der letzten Nacht das Kampfgeschehen beobachtet hatte. Was suchte er hier? War er in der Hoffnung zurückgekommen, Noir noch einmal anzutreffen? Alle r dings benahm sich dieser Dämon seltsam. Anstatt das Gelände nach Spuren abzusuchen, setzte er sich auf einen Stapel Holzbretter. Er lehnte den Kopf zurück gegen die Wand, wobei er seine Jacke fest um sich
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