Herzensstürme - Roman
Lichterschatten, die ihr Gewand gelb und grün
besprenkelten, und in ihren Händen hielt sie eine Laute.
»Gefällt sie dir?«
Wieder strich sie mit dem Finger über die Saiten, erzeugte jenen feinen, flüchtigen Klang, und Brianna bewegte sich wie eine Traumwandlerin auf das Instrument zu. Es war keine gewöhnliche Laute, wie man sie auf den Märkten kaufen konnte, denn ihr bauchiger, birnenförmiger Körper war in großer Kunstfertigkeit aus vielen hölzernen Rippen zusammengefügt. Der schmale Hals war abgeknickt, um die Saiten besser spannen zu können, und auf der Decke des Körpers leuchteten drei geschnitzte Rosetten über den Schalllöchern. Die Schnitzereien waren aus hellerem Holz als der Rest des Instruments gearbeitet, die größte befand sich in der Mitte, und Brianna wusste, ohne dass sie hinsehen musste, dass sich dort zierliche Blättchen, Zweige und Sterne ineinanderrankten.
Sie kannte diese Laute. Sie spürte die Form des Schnitzwerks in ihren Fingerkuppen, denn sie waren oft daran entlanggestrichen. Damals waren ihre Finger kleiner gewesen, sie hatte alle Feinheiten der kleinen Blättchen ertasten können, hatte die Zweige und die kleinen Sterne nachgezeichnet. Sie kannte auch diesen zarten, seidigen Klang, der nicht der richtige Lautenklang war, sondern nur das Geräusch, das entsteht, wenn man spielerisch mit dem Fingernagel über die Saiten glitt.
»Was … was ist das für eine Laute?«, stammelte sie.
Caja hatte die Augen nicht von ihr abgewendet, voller Spannung betrachtete sie die Wandlung, die mit dem Mädchen geschehen war.
»Sie ist ein Geschenk, das wir vor vielen Jahren erhielten. Niemand von uns kann darauf spielen,
deshalb glaube ich, dass sie dir gehören sollte, Brianna.«
Sie hielt ihr das Instrument entgegen, und Brianna nahm die Laute mit vor Aufregung zitternden Händen. Es gab keinen Zweifel, dieser wellige Schnitzrand, der die Decke umgab, war ihr bekannt. Sie hielt die Laute nicht zum ersten Mal in ihren Händen, sie hatte es schon viele Male getan, nur da war ihr das Instrument größer erschienen, sie hatte kaum die Arme um den bauchigen Körper legen können.
»Wer hat sie Euch geschenkt, Lady?«
»Ist es wichtig?«
Brianna hob den Blick zu ihr, und Caja sah erschüttert, dass das Mädchen Tränen in den Augen hatte.
Caja trat zum Fenster, öffnete den Flügel mit den Glaseinsätzen und sah hinunter.
»Kelvin hat dein Pferd aufgezäumt und am Gatter angebunden. Ich glaube, dass Rona ein wollenes Kleid für dich über dem Arm hängen hat. Willst du die Burg tatsächlich so armselig verlassen?«
Doch Brianna dachte jetzt überhaupt nicht mehr daran, dass sie noch vor wenigen Minuten hatte davonreiten wollen. Sie untersuchte die Bünde der Laute, die aus Tierdarm gefertigt waren, den man um den Hals des Instruments knotete. Sie waren locker geworden und herabgerutscht, einige fehlten. Nur die vier Saiten waren noch heil und straff gespannt. Sie prüfte den Klang und drehte an den Wirbeln, um die Laute zu stimmen.
Caja war mit zufriedenem Lächeln zurück zu ihrem Stuhl gegangen, sie setzte sich und sah eine Weile zu, wie Brianna sich mit dem Instrument abmühte.
»Wir erhielten dieses Geschenk zusammen mit anderen Gaben von den Macmorris - damals, als noch
Frieden zwischen uns herrschte. Gavin und seine Schwester Isla waren zu dieser Zeit noch halbwüchsige Kinder, ihr Onkel Bruce führte den Clan, denn der alte Clanchief Finley Macmorris war gestorben.«
»Von den MacMorris stammt diese Laute?«, staunte Brianna. »Aber sie ist nicht hier im Land gefertigt worden, solch ein kostbares Instrument kann nur aus Iberien oder aus dem Morgenland kommen.«
Sie zupfte die Saiten, hörte auf die Töne und drehte an den Wirbeln. Eigentlich brauchte man einen kurzen Federkiel oder ein kleines Stückchen Holz, um richtig spielen zu können. Zärtlich fuhr sie mit der Kuppe ihres Zeigefingers über das Schnitzwerk. Die Blättchen, die verschlungenen Zweige, die Sterne …
»Ich könnte mir denken, wie die Laute hierher in die Highlands kam«, sagte Caja. »Sie muss Finleys zweiter Frau gehört haben.«
»Gavins und Islas Mutter?«
»Nein - die beiden sind die Kinder seiner ersten Frau Glenis. Finley Macmorris zog ins Heilige Land, als Glenis gestorben war - er ging als Pilger dorthin, denn er hatte Glenis an ihrem Totenbett gelobt, am Heiligen Grab für ihre Seele zu beten. Vier Jahre lang blieb er dort, und viele glaubten bereits, er sei dort gestorben. Doch dann
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