Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
nichts ausrichten.
„Wie hast du mich gefunden?“, fragte sie, um etwas Zeit zu gewinnen.
„Ich habe mir dafür das Herz aus dem Leib gerissen.“ Dagan sah Roxy an, dass sie kein Wort verstand. „Buchstäblich, ohne Übertreibung. Es hat höllisch wehgetan.“
Da er offensichtlich nicht bereit war, sich näher zu erklären, hatte Roxy keine Lust, auf seine rätselhaften Andeutungen einzugehen. „Und was genau wolltest du jetzt von mir wissen?“ Vielleicht, spekulierte sie, können seine Fragen mir ein paar Hinweise darauf geben, was sein plötzliches Erscheinen bei mir zu bedeuten hat.
Dagan runzelte die Stirn. „Plötzlich doch kooperativ? Wie kommt das?“
„Du hast mir vor elf Jahren immerhin den Arsch gerettet. Ich schätze, da bin ich dir noch etwas schuldig.“
Er lachte. „Und du meinst, mit ein oder zwei Antworten ist das getan? Du hast vielleicht Nerven.“
„Was …?“ Roxy schloss den Mund schnell wieder. So genau wollte sie gar nicht wissen, womit es seiner Meinung nach getan sei.
Schnell griff Dagan in den Halsausschnitt seines T-Shirts und zog eine Halskette hervor. Auf seiner flachen Hand zeigte er ihr den silbernen Anhänger, der daran hing. Das Ankh, der Lebensschlüssel, ergänzt um Hörner und Flügel. Roxy war geschockt, als sie das Schmuckstück sah, das augenblicklich eine schmerzliche Erinnerung in ihr wachrief. Ein Gesicht, das sich über sie beugte, ihrem eigenen ähnlich. Ein paar braune Augen, in denen Tränen glänzten, kleine silberne Rinnsale auf den dunklen Wangen. Der Geruch des schwarzen Haars nach Blumen und Kräutern, das Gefühl der warmen Lippen auf ihrer Stirn.
Das Zeichen, das Dagan ihr auf der Handfläche entgegenhielt, war das gleiche, das sie an einer Silberkette um den Hals trug. Das gleiche, das sie sich selbst in die Haut ihres Unterarms gebrannt hatte.
„Du kennst das?“
„Nein“, log Roxy, obwohl es albern war, es zu leugnen. „Ich brauche es dir nicht zu erklären. Es ist das Zeichen der Isistöchter. Du hast dasselbe auf deinem Arm. Ich zeige es dir, weil dieses Zeichen auch an der Stelle in den Boden gebrannt war, an der mein Bruder ermordet worden ist.“ Dagan schwieg einen Moment und beobachtete aufmerksam ihr Gesicht. „Was weißt du darüber?“
„Nichts.“ Das war jetzt nicht gelogen. Sie wusste wohl, dass ein verfälschtes, auf dem Kopf stehendes Isiszeichen dem toten Reaper eintätowiert worden war. Von einem in den Boden eingebrannten Zeichen wusste sie nichts. Immerhin zeigte sich allmählich, worauf Dagan hinauswollte. Ihre Taktik, ihn fragen zu lassen, schien aufzugehen.
Wusste Calliope von der Sache? Wenn ja, wäre es nett gewesen, einen kleinen Hinweis in diese Richtung zu geben. Dass die Isisgarde den Reaper getötet und gehäutet hatte, war nicht ausgeschlossen, auch wenn Roxy den Sinn einer solchen Aktion nicht durchschaute.
Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihr und Dagan. Dann fragte er, indem er auf den Anhänger in seiner Hand wies: „Wem gehört das?“
Roxy zuckte die Schultern. Eine schreckliche Ahnung keimte in ihr auf, und sie musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um sich nichts anmerken zu lassen. War es tatsächlich der Anhänger ihrer Mutter? Und wenn er es war, wie war er in seinen Besitz gekommen? Was war mit ihrer Mutter geschehen?
Sie gab sich einen Ruck. Jetzt war nicht die Zeit für solche Fragen. Dagan konnte sie ihr auch nicht beantworten, sonst hätte er die letzte Frage nicht gestellt. Gespielt gleichgültig erwiderte Roxy: „Da du die Kette um den Hals trägst, sieht es so aus, als ob das dir gehört.“
Er sah sie mit gefährlich funkelnden Augen an. „Für mich sieht es so aus, als ob der Besitzer dieses Anhängers tot ist.“
Die Worte trafen sie bis ins Mark. Ihre Mutter tot? Es sieht so aus, hatte er gesagt. Es war also noch nichts erwiesen. Sie klammerte sich daran. Es durfte nicht sein. Er täuschte sich.
Ihr war bewusst, dass ihm keine ihrer Regungen entging. Roxy kam sich wehrlos und entblößt vor, ein Zustand, der ihr fremd war und den sie hasste. „Ach, leck mich …“, platzte sie in ihrer Hilflosigkeit heraus.
„Wieder dieses lose Mundwerk“, bemerkte er und packte sie am Oberarm, nicht so fest, dass er ihr wehtat, aber fest genug, dass sie nicht ausweichen konnte, und zog sie an sich. Für eine Sekunde fragte sie sich, ob er sie küssen oder töten wollte. Vielleicht beides. Fast sah es so aus, als hätte sie in dem kalten Herzen des Seelensammlers
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