Hex
oben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zum Zig-Millionen-Geschäft entwickeln. Und die Dänen sind, was die Sicherung ihrer Hoheitsrechte angeht, bislang sehr nachlässig gewesen.«
Sina mochte seiner Theorie noch immer keinen Glauben schenken. »Wenn Norweger eine ganze dänische Stadt in die Luft sprengen würden, käme das einer Kriegserklärung gleich. Und weder Norwegen noch Dänemark wäre in der Lage, sich auf einen Krieg einzulassen. Noch dazu um ein paar Fischereigebiete. Das ist absurd.«
»Nicht, wenn man den Anschlag den Inuit in die Schuhe schiebt«, entgegnete Jessen. »Eingeborene mußten seit jeher in Kolonien auf der ganzen Welt als schwarze Schafe in den Konflikten der Kolonialmächte herhalten. Und die Inuit haben sich bislang bemerkenswert ruhig verhalten. Aber ihr Unmut über die Dänen wächst. Sie fordern Mitbestimmung, kulturelle Unabhängigkeit. Es würde leichtfallen, unter ihnen eine radikale Gruppierung auszumachen und als Attentäter abzustempeln.«
Sina schwieg nachdenklich. Jessens Ausführungen begannen, einen Sinn zu ergeben. Das wenige, was sie in den Stunden zwischen der Besprechung mit Zacharias und ihrem Abflug über Grönland gelesen hatte, bestätigte das. Die Stimmung unter den Inuit war schlecht, und der Konflikt der Dänen mit den Norwegern brodelte seit über hundert Jahren.
»Sie glauben also«, faßte Max noch einmal zusammen, »Kapitän Selm von der Lessing habe sich von Norwegern kaufen lassen, um Sprengstoff für einen Anschlag auf Ittoqqortoormiit zu transportieren.«
»Möglicherweise.«
Sina rümpfte die Nase. »Sie beide müssen wirklich gute Freunde gewesen sein.«
Jessen blieb gelassen. »Allerdings.«
»Und Sie nehmen weiterhin an, diese Scheibe, die er kurz vor dem Absturz gesehen haben will, sei eine Täuschung gewesen, ein Kugelblitz oder...«
»Oder etwas in dieser Art, ja«, unterbrach der Kapitän.
»Bleibt eine Frage offen«, sagte Sina. »Weshalb hätten die Norweger für diese Angelegenheit ein deutsches Luftschiff anheuern sollen? Sie haben genug eigene. Außerdem hätte sich der Sprengstoff auch auf dem Seeweg nach Grönland bringen lassen.«
Jessen zögerte, ehe er reagierte. »Darauf habe ich keine Antwort, tut mir leid. Sie gehen dorthin, um das herauszufinden, nicht ich.«
»Ich nehme an, Sie wären nicht bereit, all diese Dinge vor einem Gericht zu wiederholen?« fragte Max ahnungsvoll.
»Gott bewahre!« stieß Jessen aus. »Die Reederei würde dafür sorgen, daß ich nie wieder ein Schiff befehlige. Ganz abgesehen von dem, was meine Kollegen mir antun würden. Sehen Sie, solche Nebeneinnahmen, wie Kapitän Selm sie kassiert haben mag oder auch nicht, sind keine Seltenheit. Jeder macht so was zum einen oder anderen Zeitpunkt. Es ist üblich.«
»Die Reederei weiß davon?«
»Nicht offiziell.«
Sinas Stirn legte sich in Falten. »Weshalb erzählen Sie uns das alles?«
Der Kapitän verzog die Lippen zu einem schalen Lächeln. »Ist das nicht meine Pflicht als Bürger des Reiches?«
Er machte kein Geheimnis aus seiner Ansicht, daß seine Beweggründe die beiden nichts angingen. Aber seine Hinweise waren zumindest vielversprechend, wenn auch aus der speziellen Sicht des Hex ein wenig enttäuschend.
Max räusperte sich. »Noch etwas anderes: Wie viele Passagiere befinden sich an Bord der Polar ?«
Jessen mußte nicht lange überlegen. »Sie beide, dazu dreizehn Wissenschaftler, die wie Sie in Nuuk von Bord gehen, und ein vierzehnter, der bis Qaanaaq bei uns bleibt.«
Sina horchte auf. »Ich wußte nicht, daß Sie noch weiter nach Norden fliegen.«
Max blickte sie verwundert und ein wenig beschämt an. Sie mußte sich in der kurzen Zeit sogar mit Grönlands Geographie beschäftigt haben, um zu wissen, wo die Stadt lag, die der Kapitän erwähnt hatte. Sina bemerkte es und lächelte in einem uncharakteristischen Anflug von Besserwisserei.
»Fahren«, korrigierte Jessen sie. »Man sagt fahren, nicht fliegen.«
Max verkniff sich ein Grinsen und stieß sie unterm Tisch mit dem Knie an.
Sinas dunkle Augen blitzten wütend auf, aber sie nickte nur.
Jessen fuhr fort: »Die Polar bringt Güter zur deutschen Station nach Qaanaaq. Die Dänen dulden unsere Leute dort aufgrund der internationalen Forschungsabkommen, wachen aber äußerst eifersüchtig über Vorräte und Technik. Unsere Frachtkammern sind voll mit Nachschub, auf den die deutschen Wissenschaftler da oben sonst verzichten müßten.«
»Ich wußte nicht, daß es um
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