Hexenblut
Luft, verschwanden, bildeten sich erneut.
»Aufhören!«, schrie sie immer wieder. Sie traute sich nicht, ihn anzufassen, und konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wie sie sich oder ihn mit einem magischen Schutzschild abschirmen könnte.
Plötzlich hörte sie hinter sich eine tiefe Männerstimme donnern: »Owen, nein!«
Der schreckliche Augenblick schien in tausend Stücke zu zerspringen. Der schwarze Rauch verschwand, Owen trug wieder seinen blauen Schlafanzug mit den Füßlingen, und alles, was Nicole je über Magie gelernt hatte, kehrte zurück. Owen verzog das kleine Gesicht und begann zu weinen, und Richard ging zu ihm und hob ihn hoch.
»Danke, Dad«, sagte Nicole. »Ich weiß nicht, was...«
Er schüttelte den Kopf. »Sprechen wir darüber, wenn ein gewisser Jemand schläft.«
Sie betrachtete ihren Sohn und konnte nicht vergessen, wie er sie angesehen hatte, als er so irre gelacht hatte. »Das klingt vernünftig.«
Eine Stunde später kamen Tommy und Amanda nach Hause. Nicole lud sie wie üblich auf das Grundstück ein, und die beiden eilten lachend ins Haus, neckten und kitzelten einander. Tommy sang aus voller Kehle »Scarborough Fair«.
Als Nicole ihn verwundert ansah, zuckte er mit den Schultern. »Na ja, da wir jetzt hier wohnen, dachte ich, ich sollte mal mehr als den Refrain lernen.«
»Das ist nicht die Nationalhymne«, sagte Amanda und verdrehte die Augen.
»Nein, die Regionalhymne.«
»Das Wort gibt es gar nicht«, erwiderte Amanda und boxte ihn in die Schulter.
»Woher willst du das wissen? Hast du es nachgeschlagen?«
Richard betrat die Küche und verkündete mit grimmiger Miene: »Familienkonferenz.«
Amandas und Tommys Lachen erstarb, was Nicole sehr schade fand. So sehr sie sich manchmal ein normales Leben wünschte, hätte sie erst recht alles darum gegeben, dass Amanda und Tommy irgendwo glücklich und in Frieden leben konnten.
Tommy wirkte verunsichert und ging langsam zur Tür.
»Bleib«, befahl Richard.
Tommy kehrte zurück, mit ernster Miene, aber leuchtenden Augen. Wenn er inzwischen nicht zur Familie gehört, wer dann?, dachte Nicole.
»Owen liegt oben und schläft. Vorhin hatten wir ein kleines Problem mit ihm«, begann Richard.
»Ist er krank?«, platzte Amanda heraus.
Richard hob die Hand. »Soweit wir das beurteilen können, geht es ihm gut... jetzt.«
»Was ist passiert?«, fragte Tommy.
Nicole holte tief Luft und schilderte, was sie gesehen und gespürt hatte. Die anderen hörten aufmerksam zu. Amanda wurde immer bleicher, und zum Schluss zitterten ihre Hände.
»Wow«, sagte Tommy, als Nicole fertig war.
»Ja, wow«, echote Nicole.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Richard direkt.
Keiner der drei, die magische Fähigkeiten besaßen, konnte ihm diese Frage beantworten. Sie wanden sich unbehaglich unter seinem Blick.
Schließlich wagte Tommy einen Vorstoß. »Also, bei dem Kleinen manifestiert sich die Magie eben früh. Und Babys bekommen alles, was sie brauchen, von ihrer Mutter...« Er errötete und verstummte.
»Du meinst so etwas wie Milch?«, fragte Nicole.
»Das ist gar nicht dumm. Denk mal darüber nach«, sagte Amanda, den Blick an die Küchentheke geheftet. »Alles, was er zum Leben braucht, hat er aus deinem Körper gezogen, als er noch in dir steckte. Und in gewissem Maße tut er das immer noch.«
»Wenn er also anfängt, Magie zu gebrauchen, entzieht er ihr die Kraft dazu, bis er alt genug ist, um sich selbständig damit zu versorgen?«, fragte Richard nach.
Tommy und Amanda nickten, aber Nicole war nicht überzeugt. »Ich hatte schon das Gefühl, dass er mir Kraft entzogen hat, aber die Sachen, die er damit gemacht hat - die kann ich gar nicht. Ich beherrsche kleine Illusionszauber, ja, aber ich kann nicht blitzartig meine Kleidung verwandeln! Und diese Zeichen und Symbole in der Luft - ich kannte nicht eines davon, und sie hatten nicht gerade eine fröhliche Ausstrahlung.«
»Vielleicht kommen sie von seinem Vater«, schlug Tommy vor.
Im Raum herrschte vollkommene Stille. So vollkommen, dass sie Nicole in den Ohren rauschte. Da war die Frage wieder. Wer war der Vater ihres Babys? Falls diese Symbole tatsächlich schwarzmagisch gewesen waren und Owen sie von seinem Vater erhielt, kam Philippe nicht in Frage. Schaudernd schlang sie die Arme um sich und wünschte, ihr wäre nicht ganz so elend zumute.
»Bedeutet das denn, dass der Vater in der Nähe ist?«, fragte Amanda ruhig.
Nicole hörte Owens »Ja« von vorhin durch ihren Kopf
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