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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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weniger an den Antworten interessiert, nur hätte er es nie gewagt, Luna derart anzufahren. Sein Vertrauen in sie war ebenso grenzenlos wie seine Liebe. Er hätte für sie sogar den Teufel aus der Hölle getrieben.
    »Ich weiß«, sagte Luna, »dass es dir schwer fallen muss, einer jungen Frau zu folgen, Amicus.« Sie holte tief Atem. »Einige deiner Fragen kann ich jetzt beantworten, andere nicht. Es ist wichtig, dass ihr beide mir vertraut, was auch immer geschieht. Um mehr bitte ich euch nicht.«
    Amicus wischte sich mit einer Hand über den Mund. »Ich höre«, sagte er.
    Ohne Zögern fuhr Luna fort: »Unser vorläufiges Ziel ist Avignon.« Sie achtete nicht auf die überraschten Reaktionen der Männer. »Wir warten dort auf einen guten Freund. Sobald wir vereint sind, reiten wir weiter nach Westen. Mehr dürft ihr in diesem Augenblick nicht erfahren.«
    Avignon, dachte Pierre. Was will sie dort? Er wusste nicht viel über die Stadt, außer dass sie auf dem Gebiet des Imperiums lag und der alte Bertrand deshalb immer einen großen Bogen darum machte. Er traute den Deutschen nicht. Was gab es noch Bemerkenswertes in Avignon? Der Papst residierte dort und … Pierre fuhr zusammen. War es möglich, dass Luna zum Papst wollte? Er verwarf den Gedanken sogleich wieder. Es war für ihn kaum vorstellbar, dass jemand wie sie den Heiligen Vater aufsuchte. Demnach musste sie einen anderen Plan verfolgen. Und wen wollte sie treffen? Pierres Gedanken rasten durch seinen Kopf. Die Antworten auf Amicus’ Fragen hatten nur weitere Rätsel zum Vorschein gebracht. Doch er ahnte, dass Luna keine weiteren Erklärungen folgen lassen würde.
    Luna stand auf. »Reiten wir zur Fähre.«
    Wortlos zahlte Amicus die Zeche. Vor der Schänke stiegen sie auf ihre Pferde, die sie gemächlich zum Hafen trugen. Auf der Seine trieben die letzten Eisschollen den Fluss hinab. Die Fähre befand sich in der Mitte des Flusses. Zwischen all den gestapelten Kisten und Fässern standen und saßen die Leute und warteten. Luna ließ ihren Blick wandern. Da war ein Dominikaner hoch zu Pferde. Er schaute gelassen der Fähre entgegen und rührte sich nicht. »Wir müssen uns trennen«, sagte Luna zu ihren Begleitern.
    Das gefiel Pierre ganz und gar nicht. »Warum?«
    »Seht ihr den Dominikaner am Ufer?«, fragte Luna. »Dort neben den Weinfässern.«
    »Ja, ich sehe ihn«, sagte Pierre. »Was ist mit ihm?«
    »Er ist gesandt, uns zu fangen und zu töten«, antwortete Luna.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Amicus.
    »Ich weiß es einfach«, erwiderte Luna. »Er sucht nach drei Personen – einer Frau und zwei Männern. Wir müssen also getrennt zum Hafen reiten. Kein Wort darf zwischen uns fallen, kein Blick gewechselt werden. Habt ihr verstanden?«
    Pierre und Amicus nickten. Amicus brach zuerst auf, ihm folgte Pierre und dann Luna.
    Während Luna und Amicus am Rand der Anlegestelle warteten, blieb Pierre in der Mitte. Der finstere Mönch saß wie erstarrt auf seinem Pferd und fixierte unentwegt das gegenüberliegende Ufer. Pierre konnte nicht anders, er musste
ihn beobachten. Sein Gesicht zierte eine breite, dunkelrote Narbe, die vom linken Auge über die Wange bis zum Hals verlief. Die Augen waren groß und hervorquellend wie die einer Kröte, der Mund schmallippig und nach unten gezogen. Pierre schauderte. Dieser Mann würde sie alle eiskalt meucheln. Ohne jeden Skrupel, ohne einen Funken Gnade.
    Pierre war so in Gedanken versunken, dass er zu Tode erschrak, als die Fähre mit einem Ruck anlegte. Kaum waren Fracht und Passagiere von Bord, drängten die Wartenden nach. Pierre stieg von seinem Pferd und führte es vorsichtig über den Steg auf die Fähre. Er übersah den mit Schnee vermengten Möwendreck, rutschte aus und schlug hin. Sein Pferd scheute und stellte sich wiehernd auf die Hinterhufe, sodass Pierre die Zügel entglitten. Er kam hoch und versuchte, den Gaul zu beruhigen. Doch er bekam einen Schlag mit dem Schädel und taumelte zurück. Vor den Vorderhufen eines anderen Pferdes stürzte er nieder. Nun stieg dieses Ross, und der Reiter hatte alle Mühe, sein Pferd unter Kontrolle zu bringen. »Sieh dich doch vor, törichter Lümmel«, brüllte der Reiter.
    Benommen sah Pierre hoch und erkannte den Dominikaner! Schnell wie eine Katze war Pierre wieder auf den Beinen. Er bat vielmals und unterwürfig um Verzeihung. Der Mönch schnaufte verächtlich und ritt auf die Fähre, ohne Pierre weitere Beachtung zu schenken.
    Pierre atmete tief durch,

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