Hexenjagd
Gefallen. Immer hat sie mir vorgeschwärmt, wie schön und angenehm so ein Leben sein könnte. Dabei kann sie die Herrschaften selbst gar nicht leiden. Ich glaub, sie wollte bloß über mich aufsteigen. Als Nicholas’ Schwiegermutter genösse sie nämlich genauso viel Ansehen wie eine echte Dame der Gesellschaft. Albern, nicht? Ich hab lange gebraucht, um zu erkennen, dass sie eitel und geltungssüchtig ist. Und dabei hat sie immer mir vorgeworfen, ich sei nicht gottesfürchtig genug! Was soll man da noch sagen?“
Verena hörte sich alles an, ohne ihre wahren Gefühle zu zeigen, denn was sie hier zu hören bekam, überstieg ihr Fassungsvermögen. Sie wollte der Freundin helfen, also spielte sie einfach mit. Dass die Ärztin, unbemerkt von Celiska, immer noch im Zimmer war und zuhörte, empfand sie dabei als höchst beruhigend, während sie zu neuen Fragen ansetzte oder Antworten formulierte.
Als Celiska sichtlich Erschöpfung zeigte, griff Rebekka vorsichtig ein: „Es ist gut. Wir sollten aufhören“, flüsterte sie in Verenas Richtung, derweil sie sich sanft lächelnd an Celiska wandte: „Ihre Freundin muss jetzt gehen. Wir schließen das Tor.“ Weil man auf diese Worte mit unübersehbarer Enttäuschung reagierte, fühlte sie sich in ihrer Vorgehensweise bestätigt und lächelte zufrieden. „Sie kann ja jederzeit wiederkommen“, versicherte sie.
Celiska fügte sich, auch wenn man ihr ansah, dass sie die Besucherin am liebsten noch dabehalten hätte. Der Abschied fiel dementsprechend bedrückt aus.
„Ich komme wieder“, versprach Verena tröstend. „Sobald ich mich freimachen kann, komme ich wieder zu dir. Dann können wir weiter reden.“
„Aber das nächste Mal zieh dir ein anständiges Kleid an.“ Celia wusste, Venice würde aufgrund dieser Bemerkung verletzt, wenn nicht gar zutiefst beleidigt sein, konnte jedoch nicht darauf verzichten, ihre Meinung kundzutun. „Du hast wohl vergessen, dass du einen Besuch in einem Haus Gottes machst! Wundert mich, dass man dich in diesem Aufzug überhaupt eingelassen hat.“
*
Die beiden Frauen erreichten Celiskas Zimmertür und blieben davor stehen.
Verena kam mittlerweile zweimal in der Woche zu Celiska, weil sie sozusagen ein fester Bestandteil des Therapieplans war, den die Psychiaterin sich ausgedacht hatte. Sie hatte zunächst nicht verstanden, warum sie sich bei ihren Besuchen so übertrieben provokativ kleiden sollte. Als die Ärztin ihr jedoch erklärte, dass man von der verstörten jungen Frau offenbar nur dann registriert wurde, wenn man sie absichtlich schockierte und damit zu moralischer Entrüstung anstachelte, erklärte sie sich sofort einverstanden, zumal sie heilfroh war, dass man ihr überhaupt erlaubte, die Freundin zu sehen. Und so trug sie auch heute, wie vereinbart, ein sehr unkonventionelles Outfit. Ein enges T-Shirt umspannte ihre kleinen Brüste und bot einen großzügigen Einblick in den weiten runden Ausschnitt. Zudem saß ihre Jeans so knapp, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes einer zweiten Haut gleichkam. Passend zu der Körbchen förmigen schwarzen Handtasche, in der sich neben allerlei Krimskrams auch Rebekkas aufnahmebereites Diktiergerät befand, trug sie schwarze lackglänzende Stiefel, deren Absatzhöhe jedoch selbst ihr ein wenig extrem vorkam, obwohl sie es gewohnt war, hochhackige Schuhe zu tragen.
„Sind Sie sicher, dass das richtig ist?“, fragte Verena zweifelnd. „Sie wird mir ansehen, dass ich lüge. Sie hat es mir bisher immer angemerkt. Auch wenn ich bloß aus Spaß geschwindelt hab, um sie zu foppen.“ Sie wollte zwar helfen, stellte sie im Stillen fest. Aber Celiska bewusst in die Irre zu führen erschien ihr trotz aller Einsicht, dass es sonst keine Alternative gab, wie ein gemeiner Verrat an der Freundin.
„Sie muss sich endgültig von ihm lösen“, erklärte Rebekka jetzt noch einmal und überging damit Verenas Einwände. „Auch wenn wir vorerst eine Täuschung anwenden müssen, muss sie hernach glauben, dass man sie nicht mehr länger an ihr Wort binden will. Wenn sie davon ausgehen kann, dass der Mann sich einer anderen zugewandt hat, wird es ihr vielleicht leichter fallen, endlich eine Entscheidung zu fällen.“ Sie lächelte ihre Komplizin aufmunternd an, öffnete mit Schwung die Tür und grüßte mit aufgesetzter Munterkeit in den Raum hinein: „Hallo Celiska! Ich habe Besuch für Sie mitgebracht!“
Dass ihre Patientin entsetzt zusammenfuhr, sobald sie Verenas ansichtig wurde, entlockte
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