Hexenjagd
Straßenrand auf, welches auf einen Parkplatz aufmerksam machte. Er drosselte das Tempo, um nicht die Abfahrt zu verpassen.
„Du willst nach Stonehenge?“ Celiska wusste zwar, dass sie auf dem Weg zu einer Sehenswürdigkeit waren. Sie hatte aber geglaubt, dass es sich um ein altes Schloss oder ähnliches Bauwerk handelte. Dass es nun ausgerechnet diese geschichts-trächtige Stätte sein sollte, erfüllte sie mit Unbehagen, obwohl sie nicht genau hätte begründen können, warum sie sich mit einem Mal so unwohl fühlte.
„Ja“, bestätigte er unterdessen. „Allerdings werden wir ein paar Schritte zu Fuß gehen müssen.“
Hand in Hand machte sich das Paar einige Minuten später auf den Weg, der einen kleinen Hügel hinaufführte, und blieb erst auf der Kuppe stehen, um das grandiose Bild zu bestaunen: eine sich ausbreitende grün leuchtende Ebene, in deren Mitte ein weithin sichtbares, eindeutig von Menschenhand erschaffenes Monument aufragte. Die perfekten Kreise, mit Halbkreisen umgeben, welche aus hoch aufragenden Megalithen gebildet wurden, leuchteten im Schein der untergehenden Sonne und vermittelten in diesem Augenblick einen unvergesslichen Eindruck von majestätischer Größe und einer geheimnisvollen Macht.
Vincent hörte Celiska hörbar Atem schöpfen und fasste ihre Hand fester.
„Wunderschön, nicht wahr? Komm“, forderte er. „Lass uns hinuntergehen.“
Celiska wollte nichts lieber als sich herumzuwerfen und die Flucht zu ergreifen. Dennoch ging sie mit, sah die riesigen Steinsäulen bei jedem Schritt näher kommen und hatte das Empfinden, sie sei nicht zum ersten Mal hier – und schon gar nicht allein mit Vincent und den Steinriesen. Sobald sie nämlich die ersten Kreislinien überschritt, meinte sie, die Luft sei erfüllt von einem geheimnisvollen Knistern und Flüstern, auch wenn sie niemanden sonst sehen konnte. „Seht nur – er hat sie wiedergefunden!“, glaubte sie einmal zu hören, wischte diese Wahrnehmung jedoch sofort als Hirngespinst beiseite. Auch der kaum hörbaren Feststellung „Jetzt werden sie endlich Frieden finden!“ schenkte sie keine weitere Aufmerksamkeit. Fasziniert und eingeschüchtert zugleich schaute sie sich nach allen Seiten um, hielt dabei die Hand ihres Mannes fest, als wäre diese ein sicherndes Seil, und blieb schließlich im innersten Kreis des Megalithen-Baus stehen, weil auch Vincent nicht mehr weiterging. Den Blick gewaltsam von den über vier Meter hoch aufragenden Steinen reißend, starrte sie fassungslos auf den Mann nieder, der auf die Knie gesunken war, um zu ihr heraufzusehen.
„Was soll denn das?“, fragte sie verwirrt. „Was machst du denn?“
„Hier möchte ich dir mein Leben und meine Seele anvertrauen“, erwiderte er mit feierlichem Ernst. „Ich liebe dich so sehr“, erklärte er mit belegter Stimme. „Und hier, an diesem heiligen Ort, will ich schwören, dass es nicht nur Worte sind. Im Beisein der Hüter von Stonehenge will ich versprechen, dass ich dich ehren und behüten werde, solange Gott mich an deiner Seite verweilen lässt.“
„Du …“ Sie musste schlucken, um weitersprechen zu können. „Lass den Quatsch“, verlangte sie dann. „Mit so was macht man keine Witze!“
„Ich schwöre“, überging er ihren Einwand, während er sich wieder aufrichtete, „dass mein Herz nur dir gehört. So war es schon immer, und so wird es auch bleiben.“
Celiska sah ihn an und wusste im ersten Moment nichts zu sagen. Sie waren hier, schoss es ihr mit einem Mal durch den Kopf, weil irgendjemand oder irgendetwas wollte, dass sie jetzt, in diesem Augenblick, exakt an dieser Stelle ihre Gefühle offen legten. Warum? Das war ihr nicht klar. Dennoch war sie sich sicher, dass nun eine Erwiderung von ihr erwartet wurde – und das nicht nur von Vincent!
„Ich liebe dich“, brachte sie endlich heraus. „So war es schon immer, und so soll es auch immer bleiben. Im Beisein der Hüter von Stonehenge will ich versprechen, dass ich dich ehren und lieben werde, solange Gott mich an deiner Seite verweilen lässt.“ Mit diesen Worten langte sie nach seinem Nacken, zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn voller Zärtlichkeit.
Vincent hatte ein paar Minuten zuvor noch geglaubt, nicht glücklicher sein zu können, da die Liebe seines Lebens bereits sein Eheweib war und den Rest seines Lebens mit ihm verbringen wollte. Doch nun musste er sich eingestehen, dass es durchaus noch eine Steigerung gab – nämlich grenzenlose Seligkeit.
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