Hexenjagd
und den sie lange Zeit bereut hatte, über den sie jetzt aber froh war! – ließ sie fast knabenhaft erscheinen, da keines ihrer weiblichen Attribute sonderlich betont wurde. Allein die lange Goldkette ohne Anhänger, die sie drei Jahre zuvor von ihrem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte und die nun zu einem einfachen Knoten geschlungen war, lockerte die strenge Wirkung auf, die durch die dunklen Seidenstrümpfe und die schwarzen Pumps hervorgerufen wurden. Zudem hatte Celiska sich ein wenig geschminkt und das Haar zu einer eleganten Frisur aufgesteckt.
„Du siehst aus wie ein gottverdammtes Flittchen!“
Der jungen Frau blieben die Abschiedsworte buchstäblich im Halse stecken. Müßig, darauf etwas zu erwidern, dachte sie zutiefst verletzt. Was auch immer ihr einfallen mochte, es würde nicht die richtige Antwort sein! Also griff sie nach dem hellen Mantel, streifte ihn über, langte nach der kleinen schwarzen Handtasche und verließ wortlos die Wohnung.
Das Entree des Theaterrestaurants war schlicht, aber geschmackvoll gestaltet. Royal blaue seidene Tapeten schmückten die Wände, an denen unzählige Porträts stadtbekannter Persönlichkeiten angebracht waren. Dass es sich um ehemalige Gäste des Etablissements handelte, war an den handschriftlichen Dankesworten zu erkennen, die jeweils unter dem Konterfei angebracht waren und die sowohl dem ausgezeichneten Koch als auch der aufmerksamen Geschäftsführung galten. Wuchernde Pflanzen in verschiedenen Größen und Arten füllten die leeren Winkel des Raumes aus und nahmen ihm dadurch ein wenig von seiner kalten Ungemütlichkeit. Große gläserne Pendeltüren trennten normalerweise den Eingangsbereich vom eigentlichen Speiseraum. An diesem Abend waren sie jedoch geöffnet und blockiert worden, um den Gästen ungehinderten Durchgang zu gewähren. Auch das Innere des noblen Restaurants war in Royal Blau gehalten, wobei eine ausgetüftelte Beleuchtung für besondere Akzente sorgte, weil sie einzelne Gemälde eines bekannten Künstlers hervorragend zur Geltung brachte. Das Mobiliar war zwar mit Bedacht aufgestellt worden, machte aber keinen besonders gemütlichen Eindruck.
Celiska stand ein wenig seitlich, um nicht im Wege zu sein, derweil Verena neugierig in den Gastraum spähte, um zu erkunden, ob ihr Gastgeber schon anwesend war. Als jedoch ein ganz anderer auf sie zukam als der erwartete ältere Herr, meinte Celiska, man habe sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu verleitet, diesem Treffen zuzustimmen, und wollte augenblicklich wieder gehen. Doch nur einen Atemzug später ging ihr auf, wie albern dieser Gedanke war. Du musst da jetzt durch, ermahnte sie sich im Stillen. Wenn du nämlich jetzt abhaust, bist du morgen garantiert arbeitslos – und zwar mit entsprechendem Zeugnis. Also reiß dich zusammen! Es ist nur ein Geschäftsessen.
„Hallo die Damen!“ Redehof Junior deutete eine leichte Verbeugung an. „Leider ist nun auch mein Vater verhindert. Also muss ich seine Stelle einnehmen. Darf ich bitten?“
Innerlich ein wenig zur Ruhe kommend, bemerkte Celiska aus den Augenwinkeln heraus die galante Geste ihres Chefs, der Verena fürsorglich aus dem Mantel half, um diesen dann an der Garderobe aufzuhängen. Sie beeilte sich, ihm zuvorzukommen, bevor er auch ihr seine Hilfe anbieten konnte. Dann wandte sie sich zum Eingang des Speisesaales. Obwohl ihr Herz Purzelbäume schlug, straffte sie die schmalen Schultern und marschierte hoch erhobenen Hauptes durch den Saal, in jeder Sekunde gewärtigend, dass sie äußerst aufmerksam beobachtet wurde, denn es waren einige bekannte Gesichter aus der Firma unter den Besuchern des Restaurants.
Verena folgte der Freundin nicht minder aufgeregt, doch hatte sie ganz andere Gründe für ihre Nervosität. Für sie war es eine weitere Stufe auf der Leiter nach oben, denn sie wusste, wenn sie sich an diesem Abend bewährte, konnte sie sicher sein, öfter mit solchen „Aufträgen“ betraut zu werden. Und das bedeutete nicht nur berufliche Anerkennung, sondern auch gute Aussichten auf eine Lohnerhöhung.
Dass der Abend zur vollen Zufriedenheit des Juniorchefs verlief, konnte man an seinem entspannten Gesicht erkennen. Auch seine lockere Art, mit den Geschäftspartnern und seinen Angestellten umzugehen, ließ darauf schließen, dass er den Abend regelrecht genoss. Celiskas Zurückhaltung, wenn er sie einmal direkt ansprach, schien ihm überhaupt nicht aufzufallen. Im Gegenteil, je reservierter sie wurde,
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