Hexenkuss
tiefschwarze Umhänge gehüllt, schleppten sich in die Dunkelheit davon, und im blassen Mondschein, der ab und zu durch die Wolken drang, schien Tommys Haus von den Biestern befreit zu sein.
Aber ein paar Schritte vor der Haustür erstarrte Amanda. »Oh Gott«, murmelte sie. »Nicole, da!«
Nicole wirbelte herum, spähte in den dunklen Vorgarten und versuchte zu erkennen, was ihre Schwester so erschreckt hatte. »Was? Was ist?«
»Das ist Sailor.« Amandas Stimme bebte vor Grauen. »Oh, Nicole, was machen wir denn jetzt?«
»Sailor?« Holly stellte sich auf die Zehenspitzen und suchte die Dunkelheit ab, doch sie konnte niemanden entdecken. »Wer ist Sailor?«
Nicole packte sie am Handgelenk und zerrte sie grob mit sich. »Komm schon - wir müssen Tommy dazu bringen, uns die Tür aufzumachen und uns reinzulassen, ehe Sailor die Veranda erreicht. Ehe Tommy ihn sieht.«
Hollys Kopf flog herum, als ihre Cousinen sie die Verandastufen hinaufzerrten. »Aber wer -«
»Nicht wer, was«, sagte Amanda grimmig. Sie hob die Faust und hämmerte an die Haustür. »Tommy, ich bin's, Amanda! Lass uns rein, schnell! Komm schon, Tommy!«
Die Panik in Amandas Tonfall ließ Holly die Haare zu Berge stehen. »Was soll das heißen, >was«
»Sailor war Tommys Kater«, erklärte Nicole mit gepresster Stimme. »Er ist vor ein paar Monaten gestorben. Ich habe nicht daran gedacht, aber wahrscheinlich hat Tommy ihn auf der Wiese neben dem Haus begraben.«
»Tommy, nun mach schon!« Amanda kreischte jetzt beinahe. »Mach die verdammte Tür auf!«
Etwas schabte dumpf über den Beton, wo der Weg an der untersten Stufe der Veranda endete. Holly schluckte krampfhaft und starrte angestrengt in die Dunkelheit unter ihr, obwohl sie lieber nichts sehen wollte. »Das bedeutet also -«
»Dass Sailor nach Hause will«, stellte Nicole tonlos fest. Plötzlich überflutete Licht die Veranda, so dass sie vorübergehend geblendet waren. »Mann, bin ich froh, euch zu sehen!« Tommy klang angespannt. »Tut mir leid, dass es so lang gedauert hat -«
Sie ließen ihn nicht ausreden. Amanda stieß ihn zurück ins Haus, und Nicole und Holly stürzten ihr nach, fuhren herum und knallten die Tür im selben Moment zu, als etwas Schweres dumpf dagegen stieß.
Tommy stolperte, fing sich wieder und sah sich verwirrt um. Von der Außenseite der Tür war jetzt ein beharrliches Kratzen zu hören, alle paar Sekunden unterbrochen von einem schwachen, heiseren Laut, der halb wie ein Zischen, halb wie ein Miauen klang. »Moment mal - was ist das? Das klingt wie... wie ...«
Amanda seufzte und warf ihrer Schwester einen strengen Blick zu. »Tommy, wir müssen dir eine Menge erklären, und zwar alles auf einmal. Aber zunächst mal... äh, habt ihr einen Spaten?«
In Karis Apartment schwebte Jers Coven in der Luft.
Sie alle schimmerten, von Lichtfäden durchzogen wie jeder andere Gegenstand im Raum - vom Sofa über die Lampen bis hin zum Nippes und dem Bilderrahmen auf dem Beistelltisch. Alles schien von einem schimmernden inneren Feuer erfüllt zu sein. Selbst der Zimmerefeu strahlte grün-golden, wo die Ranken sich um ihr kleines Spalier schlangen.
Jer hätte sich eine solche Macht nie träumen lassen, hatte noch nie eine solche Kraft gespürt. Er hatte keine Ahnung gehabt, was geschehen würde, als er und seine Freunde sich versammelten. Jeder von ihnen hatte sich vor eine Ecke der Samtdecke gekniet, auf die er sein Pentagramm gezeichnet hatte. Jetzt trieb der erdige Duft einer Räuchermischung durch die Luft, und Kerzen - zwei schwarze, eine weiße und zwei rote - standen auf den Spitzen des Pentagramms. Allerdings glich ihr Licht eher dem mächtiger Fackeln denn sanftem Kerzenschein. Jers linke Hand umschloss die von Kari, und Eddie hielt seine rechte. Zwischen Eddie und Kari kniete Kialish, und Jer konnte ihn unter den halb geschlossenen Lidern hervor sehen. Kialishs Augen waren ganz geschlossen, und sein Gesicht strahlte die gleiche tiefe, friedvolle Ruhe aus wie das seines Partners.
Vielleicht war diese Woge der Macht, diese unglaubliche Energie daher gekommen - die beiden jungen Männer waren unzertrennlich, wie zwei Puzzlestücke, die ausschließlich füreinander geschaffen sind. Das mochte nicht das traditionelle magische Duo aus Mann und Frau sein, aber vielleicht war es gerade diese Einzigartigkeit, die diese seltsame neue Kraft hervorbrachte - wie die unsichtbare Energie die sie alle vier buchstäblich vom Boden abheben ließ. Jer lächelte leicht
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