Hexenseelen - Roman
mit Googlen vertrödeln wollte.«
»Beruhigt Euch«, befahl Conrad ihr und fuhr zu Adrián gewandt fort: »Gibt es einen Bunker oder etwas Ähnliches in dieser Straße?«
»Mal sehen.« Erneut tippte der Nachzehrer etwas und verkündete feierlich: »Oh ja! Hör dir mal an, was die Seite unter-hamburg.de schreibt: ›Wer aufmerksam von den Landungsbrücken in Richtung Reeperbahn geht, dem mögen die vermauerten Eingänge aufgefallen sein: Seit Jahrzehnten verschlossen, führten sie ursprünglich zu einem dreistöckigen Rundbunker, der nahezu unsichtbar im Hang an der Helgoländer Allee direkt unter der Jugendherberge versteckt ist.‹ Das ist unser Ziel. Ein Verein sollte das Gebäude ausführlich dokumentiert haben. Wenn es uns gelingt, uns die Aufzeichnungen zu beschaffen, können wir uns bestens vorbereiten.«
»Wunderbar. Kümmern Sie sich darum. Die Besprechung ist somit beendet.« Er dachte, besonders die Lady würde froh sein, aus dem Gespräch entlassen zu sein, doch sie machte nicht den Eindruck, davoneilen zu wollen.
»Darf ich Sie etwas fragen?«, begann sie zögerlich.
»Nein.«
Sie tat es trotzdem, aber auch das war Conrad egal. »Warum machen Sie keinen Neuanfang?«
Er hielt inne. Die Frage irritierte ihn. Ja, warum eigentlich nicht? Würde er seinen jetzigen Körper töten, im Grab aufwachen und als Wiedergänger erneut auf die Erde kommen, bekäme er das Augenlicht zurück.
Aber das ging nicht.
Und der Grund … war Ylva.
Der Gedanke an sie bewegte etwas in ihm, wühlte ihn auf, tat beinahe weh. Er durfte sie nicht in Gefahr bringen. Aber im Grab würde er sich von denen nähren, die ihm nahestanden. Und Ylva bedeutete ihm etwas.
Eindeutig zu viel.
Warum empfand er etwas für sie, und was war es?
Die Leere drohte ihn zu verschlingen, als spürte sie da noch ein letztes bisschen, das sie zerfressen konnte. Doch diese Überbleibsel von Gefühlen vermochte auch sie nicht völlig zu vernichten.
Warum nur, wenn sie nichts brachten als Trauer? Vielleicht musste er sich noch etwas in Geduld üben, dann wäre alles wirklich vorbei, und es würde ihm gutgehen.
»Conrad, haben Sie mich gehört? Warum wollen Sie keinen Neuanfang machen?«
»Weil es einfach nicht geht«, erwiderte er trocken und hoffte, die Konversation wäre damit beendet.
»Es geht nicht? Warum nicht? Was ist mit Ihnen los? Conrad, wir brauchen Sie.«
»Ja, und hier bin ich doch auch.« Die Fragen nagten an ihm, ließen ihn nicht in Ruhe und zwangen ihn, immer wieder an Ylva zu denken. An Ylva, die fortgelaufen war, die ihn verlassen hatte.
»Das ist einfach zu hoch für mich. Warum tun Sie sich das an? Was sollen wir davon halten? Ich verstehe das einfach nicht.«
Er auch nicht. Aber alles, was er antwortete, war: »Ich fürchte, damit müsst Ihr Euch einfach abfinden, Mylady .«
»Tut mir leid, das … das ist doch schlichtweg verrückt.« Nun war es so weit. Dieser letzte Tropfen brachte das Fass zum Überlaufen. Beinahe fluchtartig verließ sie den Raum.
Conrad seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Na, Rivas, wollen Sie mir auch die Leviten lesen?«
»Nein. Du …« Der Nachzehrer zögerte, blieb aber bei der vertraulichen Anrede. »Du benimmst dich zwar in der Tat seltsam, aber die Entscheidung kann ich durchaus nachvollziehen.«
»So? Helfen Sie mir doch auf die Sprünge.«
»Es ist wegen Ylva, nicht wahr? Du liebst sie also tatsächlich.«
Conrad biss die Zähne zusammen. Liebe war also das Gefühl, das in ihm wie ein Dorn steckte und ihn nötigte, noch etwas zu empfinden.
Kapitel 24
Y lva rannte den Flur entlang. Obwohl sie zwischen sich und Conrads Tür nur wenige Meter gebracht hatte, fühlte es sich an, als hätte sie bereits einen Marathon hingelegt. Ihr Atem ging rasselnd und stoßweise, ihr Herz hämmerte. Sie musste es irgendwie zu ihrem Zimmer schaffen, ins Bett kriechen und alles vergessen.
Ein Stechen in ihren Eingeweiden brachte sie zum Stehen. Ylva schlang einen Arm um ihren Bauch und lehnte sich gegen die Wand. Der Dämon brodelte in ihr auf. Kehr um!
Ihr Tyrann. Ihr Komplize. Was auch immer er getan hatte, sie war nicht bewusstlos gewesen, als es passierte. Sie hatte ebenfalls gehandelt, wenngleich intuitiv und fast ohnmächtig von der dunklen Macht, die der Dämon in ihr heraufbeschworen hatte. Ja, es war dennoch ihr Tun gewesen, durch das Conrad gelitten hatte. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihn, wie er gekrümmt auf dem Boden lag, schweißgebadet, obwohl sie bisher keinen
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