Hexenstunde
kranke Gefühl in meinem Kopf und meinem Bauch zu ignorieren, da sah ich eine geisterhafte Gestalt zur Linken der Tür in einer halbdunklen Ecke des Zimmers.
Lange Zeit betrachtete ich sie und fragte mich, ob es nicht eine Halluzination sein könnte, hervorgerufen durch die Droge, die ich zu mir genommen hatte, oder einfach nur ein Spiel von Licht und Schatten. Aber das war es nicht. Wie ein Mann sah es aus, groß und dunkelhaarig, der auf mich herabstarrte, wie ich da lag, und der anscheinend sprechen wollte.
»Lasher«, flüsterte ich.
»Du Tor von einem Mann, daß du herkommen mußtest«, sagte das Wesen. Aber seine Lippen bewegten sich nicht, und ich hörte seine Stimme nicht durch meine Ohren. »Tor, der du wiederum versuchen mußtest, dich zwischen mich und die Hexe, die ich liebe, zu drängen.«
»Und was hast du mit meiner kostbaren Deborah getan?«
»Du weißt es, und du weißt es doch nicht.«
Ich lachte. »Sollte ich mich geehrt fühlen, daß du dein Urteil über mich fällst?« Ich setzte mich im Bett auf. »Zeige dich klarer«, forderte ich ihn auf.
Und vor meinen Augen nahm seine Gestalt Form an und wurde lebendiger, und ich sah die Züge eines unverwechselbaren Mannes mit schmaler Nase und dunklem Auge, in derselben Kleidung, in der ich ihn Jahre zuvor einen winzigen Augenblick lang in Schottland gesehen hatte: einem Lederwams, grobgeschnittenen Reithosen und einem schlichten Hemd mit weiten Ärmeln.
»Wer bist du, Geist?« fragte ich. »Sag mir deinen wahren Namen, nicht den Namen, den meine Deborah dir gegeben hat!«
Ein schrecklicher, bitterer Ausdruck kam über sein Gesicht – oder nein: es war nur, daß die Illusion zu zerfallen begann, und in der Luft schwebte ein Klagelaut, ein furchtbares, lautloses Weinen. Und was immer da war, schwand dahin.
»Komm zurück, Geist!« rief ich. »Oder, besser: Wenn du Charlotte liebst, hebe dich fort! Kehre zurück in das Chaos, aus dem du gekommen bist, und laß meine Charlotte in Frieden!«
Ich hätte schwören können, daß das Wesen wispernd noch einmal sprach. »Ich bin geduldig, Petyr van Abel. Ich sehe sehr weit. Ich werde den Wein des Weibes trinken, ihr Fleisch essen, ihre Wärme kennen, wenn nicht einmal deine Knochen mehr da sind.«
»Komm zurück!« rief ich. »Sage mir, was das alles bedeuten soll, Lasher. Ich habe dich gesehen, so deutlich wie die Hexe dich sieht, und ich kann dich stark machen.«
Aber es herrschte Schweigen. Ich fiel auf das Kissen zurück und wußte, daß dies der stärkste Geist war, den ich je wahrgenommen hatte. Keiner war je stärker und deutlicher sichtbar gewesen. Und die Worte die der Dämon zu mir gesprochen hatte, hatten nichts zu tun mit dem Willen der Hexe.
Ach, hätte ich doch nur meine Bücher bei mir gehabt.
Wieder sehe ich vor meinem geistigen Auge den Steinkreis zu Donnelaith. Ich sage dir, es gibt keinen Grund dafür, daß der Geist von dieser Stelle kam! Das ist kein gemeiner Dämon, kein Hausgeist, kein Ariel, der bereitsteht, sich Prosperos Stab zu beugen! So fieberhaft war mir schließlich zumute, daß ich wieder von dem Wein trank, um die Pein zu lindern.
Doch damit, Stefan, kennst du nur den ersten Tag meiner Gefangenschaft und meines Jammers.
Wie gut sollte ich dies kleine Haus kennenlernen. Wie vertraut sollten mir die steilen Wände werden, wo kein Pfad zum Strand hinunter führte. Selbst wenn ich ein Seemannstau gehabt hätte, das ich um die Balustrade hätte schlingen können – dieser schreckliche Abstieg wäre mir nicht geglückt.
Aber ich will mit meiner Erzählung fortfahren.
Es war wohl Mittag, als Charlotte zu mir kam, und als ich die Mulattenmädchen mit ihr eintreten sah, wußte ich, daß sie nicht meiner Phantasie entsprungen waren, und ich sah mit eisigem Schweigen zu, wie sie frische Blumen im Zimmer verteilten. Sie hatten mein Hemd gewaschen und gebügelt und brachten mir auch andere Kleidung aus leichterem Stoff mit, wie man sie in diesen Gegenden bevorzugt. Und einen großen Zuber schleppten sie herbei; wie ein Boot schoben sie ihn über den Sandboden, wobei zwei muskulöse Sklaven sie bewachten, falls ich zur Tür hinausspringen sollte.
Sie füllten den Zuber mit heißem Wasser und meinten, ich könne nun baden, wann immer ich wolle.
Ich tat es – in der Hoffnung, meine Sünden abwaschen zu können, nehme ich an -, und als ich gewaschen und bekleidet war und man mir den Bart getrimmt hatte, setzte ich mich und aß, was sie mir gebracht hatten, ohne Charlotte
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