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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und Charlottes geerbt, und dazu gehört unter anderem die Fähigkeit, diesen braunhaarigen Mann zu sehen, diesen Geist. Zusammen sind sie das, was die Talamasca als die Mayfair-Hexen bezeichnet.«
    Rowan machte ein leises Geräusch – halb Staunen, halb nervöse Belustigung. Sie raffte sich auf ihrem Stuhl auf und beobachtete die kleinen Veränderungen in seinem Gesicht, während er schweigend all die Dinge, die er ihr erzählen wollte, in Reihe und Glied sortierte.
    »Die Talamasca«, sagte er und wählte seine Worte mit Sorgfalt. »Das sind Wissenschaftler, Historiker. Sie haben tausend Sichtungen dieses braunhaarigen Mannes in diesem Haus und in seiner Umgebung dokumentiert. Vor dreihundert Jahren, als Petyr van Abel nach Saint Domingue reiste, um dort mit seiner Tochter Charlotte zu sprechen, da trieb der Geist ihn in den Wahnsinn. Und schließlich brachte er ihn um.«
    Er nahm einen Zug von seiner Zigarette, und wieder wanderte sein Blick im Zimmer umher, doch diesmal ohne es bewußt wahrzunehmen. Dann wandte er sich wieder Rowan zu.
    »Nun habe ich, wie gesagt«, fuhr er fort, »diesen Mann schon mit sechs Jahren gesehen. Ich habe ihn jedesmal gesehen, wenn ich an diesem Haus vorbeikam. Und im Gegensatz zu den zahllosen Leuten, die im Laufe der Jahre von der Talamasca interviewt wurden, habe ich ihn auch anderswo zu Gesicht bekommen. Aber der springende Punkt ist… als ich neulich abends nach all den Jahren wieder herkam, da habe ich diesen Mann wiedergesehen. Und als ich es Aaron erzählte, als ich ihm erzählte, daß ich den Mann schon als Dreikäsehoch gekannt habe, und als ich ihm erzählte, daß du es warst, die mich gerettet hat – nun, da zeigte er mir die Akte der Talamasca über die Mayfair-Hexen.«
    »Er hatte es nicht gewußt? Daß ich dich aus dem Meer gefischt habe?«
    Michael schüttelte den Kopf. »Er war wegen meiner Hände nach San Francisco gekommen. Das ist sozusagen ihr Fachgebiet: Menschen mit speziellen Fähigkeiten. Es war Routine. Er wollte Kontakt mit mir aufnehmen, so routinemäßig, wie vielleicht auch Petyr van Abel versuchen wollte, bei der Hinrichtung Suzanne Mayfairs zu intervenieren. Und dann sah er dich vor meinem Haus. Er sah, wie du mich abholtest, und ob du’s glaubst oder nicht – er dachte, du hättest mich engagiert, hierher zu kommen. Er dachte, du hättest mich als Medium engagiert, damit ich hier deine Herkunft erforsche.«
    Er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette und warf sie dann auf den Kaminrost. »Nun, das dachte er wenigstens eine Zeitlang. Bis ich ihm sagte, weshalb du wirklich zu mir gekommen warst und daß du dieses Haus noch nie gesehen hattest – ja, nicht einmal ein Bild davon. Und jetzt mußt du als erstes die Akte über die Mayfair-Hexen lesen. Aber da ist noch mehr… soweit es mich betrifft.«
    »Die Visionen.«
    »Genau.« Er lächelte, und sein Gesicht war warmherzig und schön. »Genau! Denn, du erinnerst dich, ich habe dir erzählt, daß ich eine Frau gesehen habe, und da war ein Juwel…«
    »Und du meinst, das war der Smaragd.«
    »Ich weiß es nicht, Rowan. Ich weiß es nicht. Und dann wieder weiß ich es doch. Ich weiß so sicher, wie ich hier sitze, daß es Deborah Mayfair war, die ich da draußen gesehen habe. Deborah. Und sie trug den Smaragd um den Hals, und ich bin hierher geschickt worden, um etwas zu tun.«
    »Um gegen diesen Geist zu kämpfen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es ist komplizierter. Darum mußt du die Akte lesen. Rowan, du mußt sie lesen. Du darfst keinen Anstoß daran nehmen, daß eine solche Akte existiert. Du mußt sie lesen.«
    »Was hat denn die Talamasca von all dem?« fragte sie.
    »Nichts«, sagte er. »Wissen. Ja, sie suchen Wissen. Sie wollen verstehen. Weißt du, man könnte sagen, sie sind Detektive des Übersinnlichen.«
    »Und stinkreich vermutlich außerdem.«
    »Ja.« Er nickte. »Stinkreich. Geradezu schweinemäßig.«
    »Du machst Witze.«
    »Nein. Sie haben genauso viel Geld wie du. Sie haben so viel Geld wie die katholische Kirche. Wie der Vatikan. Es geht überhaupt nicht darum, daß sie irgend etwas von dir haben wollen…«
    »Okay, ich glaub’s ja. Aber du bist naiv, Michael. Wirklich. Du bist wirklich naiv.«
    »Wieso, zum Teufel, sagst du das, Rowan? Herrgott, wie kommst du darauf, daß ich naiv bin? Du hast es schon mal gesagt, und es ist wirklich verrückt!«
    »Michael, du bist es. Wirklich. Okay, sag mir die Wahrheit: Glaubst du immer noch, daß diese Visionen gut waren? Daß die

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