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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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behaupten, daß ich lüge?« Dann brachten sie Deirdre hinunter in den Konvent, wo sie mit der alten Mutter Bernard sprechen mußte; aber nicht einmal die konnte mit Deirdre etwas anfangen.
    Rita brach es das Herz, als die Nonnen kamen, um Deirdres Sachen zu packen. Sie sah, wie Schwester Daniel den Smaragdanhänger aus dem Etui nahm und ihn anstarrte. Die Schwester hielt ihn für Glas; das sah man an der Art, wie sie ihn hielt. Es tat Rita weh, zu sehen, wie sie ihn anfaßte, zu sehen, wie sie Deirdres Nachthemden und Sachen zusammenraffte und in den Koffer stopfte.
    Und ein paar Tage später, als Schwester Daniel diesen schrecklichen Unfall hatte, tat es Rita nicht leid. Sie hätte der gemeinen alten Nonne zwar nicht gewünscht, auf diese Weise zu sterben – zu ersticken in einem verschlossenen Zimmer bei aufgedrehter Gasheizung -, aber so war es nun mal.
    Dann bekam Rita einen schrecklichen Streit mit Sandy. Sandy behauptete, Deirdre sei verrückt gewesen. »Weißt du, was sie nachts gemacht hat? Ich sag’ dir, was sie gemacht hat. Wenn alles schlief, hat sie die Decke zurückgeworfen und ihren Körper bewegt, als ob sie jemand küssen würde! Ich hab’s gesehen – sie hat den Mund aufgemacht und sich auf dem Bett bewegt – du verstehst schon, sich bewegt – ganz so, du weißt schon, als ob sie’s wirklich gefühlt hätte!«
    »Halt dein dreckiges Maul!« kreischte Rita, und sie versuchte, Sandy zu ohrfeigen. Alle stürzten sich auf sie, aber Liz Conklin zerrte sie beiseite und befahl ihr, sich zu beruhigen. Und sie sagte, Deirdre habe Schlimmeres getan, als sich im Garten mit dem Mann zu treffen.
    »Rita Mae, sie hat ihn ins Haus gelassen. Sie hat ihn in unser Stockwerk heraufgeholt; ich habe ihn gesehen!« Liz flüsterte und schaute sich um, als fürchte sie, daß jemand sie belausche.
    »Das glaube ich dir nicht«, sagte Rita.
    »Ich habe ihr nicht nachspioniert«, sagte Liz. »Ich wollte nicht, daß sie in Schwierigkeiten gerät. Ich war bloß aufgestanden, um aufs Klo zu gehen, und da sah ich sie am Fenster des Aufenthaltsraums – sie und ihn zusammen, Rita Mae -, keine drei Schritt weit von uns entfernt, während wir schliefen.«
    »Wie sah er denn aus?« wollte Rita wissen. Sie war sicher, daß alles gelogen war. Sie würde es wissen, denn sie hatte ihn gesehen.
    Aber Liz beschrieb ihn – groß, braunhaarig, »sehr distinguiert«. Und er habe Deirdre geküßt und mit ihr geflüstert.
    »Rita Mae, stell dir vor: Sie schließt sämtliche Türen auf und holt ihn herauf. Sie war einfach verrückt.«
    »Ich weiß nur eins«, sagte Rita später zu Jerry Lonigan, als sie miteinander gingen. »Sie war das liebste Mädchen, das ich je gekannt habe. Sie war eine Heilige, verglichen mit diesen Nonnen, das sage ich dir. Und als ich dachte, ich würde verrückt in diesem Haus, da hielt sie meine Hand und sagte, sie wüßte schon, wie mir zumute wäre. Ich hätte alles für sie getan.«
    Aber als der Augenblick gekommen war, wo sie etwas für Deirdre Mayfair hätte tun müssen, da hatte Rita es nicht vermocht.
    Über ein Jahr war vergangen. Ritas Teenagerleben war vorbei, und sie vermißte es nicht einen Augenblick lang. Sie hatte Jerry Lonigan geheiratet, der zwölf Jahre älter war als sie und netter als irgendein Junge, den sie je kennengelernt hatte – ein anständiger, gutherziger Mann, der ein gutes Einkommen aus dem Bestattungsinstitut Lonigan und Söhne bezog, einem der ältesten der Gemeinde, das er mit seinem Daddy zusammen führte.
    Jerry war es, von dem Rita die Neuigkeiten über Deirdre erfuhr. Er erzählte ihr, Deirdre sei schwanger von einem Mann, der inzwischen bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei, und ihre Tanten, diese niederträchtigen, verrückten Mayfair-Weiber, die wollten sie zwingen, ihr Kind wegzugeben.
    Rita wollte bei dem Haus vorbeigehen, um Deirdre zu besuchen. Sie mußte einfach. Jerry wollte es nicht.
    »Was, zum Teufel, glaubst du, daß du tun kannst? Weißt du nicht, daß diese Tante, diese Miss Carlotta – daß sie Rechtsanwältin ist? Sie könnte Deirdre einweisen lassen, wenn sie das Baby nicht hergibt.«
    Aber Rita ging trotzdem hin.
    Es war das Schwerste, was sie je getan hatte – zu diesem enormen Haus zu gehen und die Türglocke zu läuten. Aber sie tat es. Und natürlich war es Miss Carl, die ihr die Tür öffnete, diejenige, vor der alle Welt Angst hatte.
    Trotzdem ging Rita hinein, drängte sich einfach an Miss Carl vorbei. Na, sie hatte die Fliegentür aber

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