Hexensturm
hatte bisher keine Gelegenheit, ihn zurückzurufen.« Er wählte die Nummer unseres wichtigsten Kontakts zum dämonischen Untergrund. Ich trat beiseite, so dass er ungestört sprechen konnte, und Shade folgte mir.
»Kennst du deine Drachenverwandten?«, fragte ich Shade. »Hätten sie Einwände gegen deine Beziehung zu meiner Schwester? Es wäre gut, wenn wir vorher Bescheid wüssten, ob wir es wirklich nur mit einer irren Schwiegerfamilie zu tun kriegen.« Ich wollte nicht gehässig klingen, aber ich konnte nicht anders. Ich hatte diese rassistische Engstirnigkeit so satt. Mein eigener Vater wollte Trillian nicht akzeptieren, weil er Svartaner war. Smokys Vater hasste mich bis zum Wahnsinn. Das Rainier-Puma-Rudel hatte etwas gegen Nerissas Beziehung zu Menolly. Offenbar konnten wir es niemandem recht machen.
Shade hob den Zeigefinger und verschwand wieder nach drinnen. Gleich darauf kam er mit einem Sessel zurück. »Setz dich. Ich weiß, dass du immer noch ganz schön zerschlagen bist.«
Dankbar ließ ich mich darauf nieder. »Danke. Du bist ein Schatz.«
Er lächelte. »Ich gebe mir alle Mühe.« Dann hockte sich der attraktive Mann mit den vielen Narben neben den Sessel und stützte sich auf die Armlehne. »Meine Familie … also, meine Mutter ist ein Drache. Mein Vater war Stradoner. Keine allzu häufige Verbindung, aber eine der wenigen Vermischungen, die man in der Schattenwelt sieht. Schwarze Drachen leben in den Schatten und haben eine ähnliche Energie wie Stradoner, deshalb tun sie sich oft zur magischen Arbeit zusammen. Meine Eltern waren so ein Paar. Sie haben sich bei der Arbeit kennengelernt und ineinander verliebt, und ich bin das Ergebnis.«
»Ich wusste nur, dass ihr nicht in den Drachenreichen lebt.«
»Nein, Schattendrachen legen nicht so viel Wert auf die Hierarchie wie silberne oder weiße. Sie existieren auf einer etwas anderen Ebene als die übrigen Drachen. Und Stradoner … wie soll ich das erklären? Stradoner sind Einzelgänger. Wir kennen und respektieren unsere Familie, aber wenn wir erwachsen und von zu Hause ausgezogen sind, treffen wir sie kaum noch. Meine Eltern hätten also kein Problem damit, Delilah und ihre Schwestern kennenzulernen. Sie wären sicher sehr reserviert, aber das ist einfach ihre Art.«
Ich runzelte die Stirn und versuchte zu begreifen, wie ein reines Energiewesen sich in einen Drachen verlieben konnte, ließ es aber gleich wieder sein. Das war auch nicht anders als bei Smoky und mir oder Morio und mir.
»Was ist mit dir? Du wirkst nicht reserviert.«
Er lächelte, und seine leuchtend weißen Zähne blitzten. »Ich wurde schon sehr früh aus meiner Familie genommen und im Reich des Herbstkönigs großgezogen. Er hat mich hauptsächlich den Todesmaiden anvertraut. Da habe ich sehr schnell gelernt, mit anderen zu interagieren. Vor allem, weil sie mir immer Streiche gespielt haben.«
»Du bist also nicht in deiner natürlichen Umgebung aufgewachsen.«
Shade zuckte mit den Schultern. »Nicht direkt. Haseofon ist immerhin der Tempel der Toten. Und der Herbstkönig ist nicht nur Elementarfürst, sondern auch einer der Schnitter. Oh, ich glaube, Vanzir ist fertig.« Er wies mit einem Nicken auf Vanzir, der auf uns zukam.
»Ich habe Carter erreicht. Er macht sich Sorgen. Es gibt Gerüchte über ein wildes Portal – sehr einfach, aber brauchbar – zu den Unterirdischen Reichen. Es muss geschlossen werden, aber dazu müssen wir es erst mal finden. Jemand will es in Shoreline gesehen haben, andere behaupten, es sei irgendwo bei Lynnwood. Niemand weiß es ganz genau.«
Ich starrte zu ihm hoch. »Scheiße. Weißt du, ob es schon jemand genutzt hat?«
»Ja. Carter sagt, vor allem von einem, der durchgeschlüpft ist, solltet ihr wissen.« Er blickte sich um, vergewisserte sich, dass wir auch wirklich allein waren, und beugte sich dann dicht zu mir herab. »Telazhar.«
Mein Herz machte einen Satz. Ein Nekromant, berüchtigt aus den Flammenkriegen in der Wüste der Anderwelt – Telazhar war vor langer Zeit in die Unterirdischen Reiche verbannt worden und hatte dort Dämonen ausgebildet, darunter unsere Freundin Stacia.
»Ist Carter ganz sicher? Wenn Telazhar hier frei herumläuft …« Auf einmal schien Hyto nicht mehr unser größter Feind zu sein. Ich blickte in Vanzirs wirbelnde Augen. »Das bedeutet Ärger. Gewaltigen Ärger.«
Er nickte. »Ja. Wenn ich doch nur meine Kräfte wiederhätte.«
»Das wünsche ich dir auch.« Ich ließ den Kopf hängen.
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