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Hexenzorn

Titel: Hexenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Pratt
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B. bahnte sich vorsichtig einen Weg hindurch zwischen den zerbrochenen Gefäßen, den zertrampelten Dosen und den herumliegenden Kräutern und versuchte, sich genauso lautlos und grazil zu bewegen, wie er es so oft auf der Leinwand getan hatte.
    Hinter der verbogenen, metallenen Theke an der Rückwand waren Stimmen zu hören. Die verborgene Tür zum Hinterzimmer stand einen Spalt weit offen. B. verstand von den Worten, die aus dem Hinterzimmer kamen, nur Kauderwelsch - anscheinend wirkten sich seine übernatürlichen Fähigkeiten nicht auf das Hörvermögen aus -, doch klang die Sprache für ihn, als könne es sich um einen chinesischen Dialekt handeln. B. schlich sich weiter vor, drückte die Tür zum Hinterzimmer nur wenige Zentimeter weiter auf und spähte hinein. Das Hinterzimmer war von roten Laternen erleuchtet, die B. auf unangenehme Weise an die Notbeleuchtung in Bethanys Zug erinnerten. In dem flackernden Licht schienen Schatten zu tanzen. Jetzt entdeckte er Rondeau, hinter dem Operationstisch mit Klebeband
an einen Stuhl gefesselt, den Mund geknebelt. Er sah aus, als langweile er sich gerade zu Tode. Auch der Himmlische war anwesend, zusammen mit seiner Schülerin, und als B. sah, wie heftig sie gestikulierte, mit welch grober Stimme sie sprach und wie unterwürfig der alte Chinese dazu nickte und auf den Boden starrte, hatte er keinen Zweifel mehr an Rondeaus Geschichte, dass der Magier den Körper seiner Schülerin gestohlen habe. In Wirklichkeit war sie der Himmlische und somit diejenige, die B. töten musste. Was bedeutete, dass die Schülerin ihren Körper nie wieder zurückbekommen würde, und das war schlimm, aber B. blieb nichts anderes übrig.
    Er atmete langsam und tief ein, bereitete sich darauf vor, den Umhang zu wenden. In diesem Moment sah er ein Schimmern im Zimmer, hauchdünne Fasern wie die an der Eingangstür, nur dass diese hier rot waren. In dem roten Licht waren sie so gut wie unsichtbar, selbst für seine Augen, was bedeutete, dass jeder andere höchstwahrscheinlich geradewegs in sie hineingelaufen wäre. Die Fäden durchzogen die vordere Hälfte des Hinterzimmers in einem wenn auch etwas unregelmäßigen, dicht gewobenen Kreuzmuster - von Wand zu Wand, vom Boden bis zur Decke. Dieses Gitternetz schnitt Rondeau und die beiden anderen von B. ab wie ein Stacheldrahtzaun. Er wusste nicht, was genau seine Funktion war, aber er vermutete, nichts Gutes. Wenn die goldenen Fäden vor dem Eingang sozusagen die Alarmanlage waren, musste das hier so etwas wie die Selbstschussanlage sein.
    Was sollte er jetzt tun? Der Umhang verlieh ihm große Macht, aber nur von rein physischer Natur. Solange er nicht an den Magier herankam, konnte er ihm auch nichts tun,
und das bedeutete, dass er rein gar nichts unternehmen konnte.
    »Marla!«, rief der Himmlische. »Ich kann dich atmen hören, du kleines, verstohlenes Miststück. Du bist früh dran. Komm rein und übergib mir Ch’ang Hao, damit ich ihn bannen kann.«
    Weglaufen hatte nicht viel Sinn, und zumindest hatte B. das Überraschungsmoment - oder so etwas wie den überraschenden Effekt des Unerklärlichen - auf seiner Seite. Er drückte die Tür ganz auf und trat ein, jedoch immer noch darauf bedacht, sich von den roten Fäden fernzuhalten.
    »Du bist nicht Marla«, sagte der Himmlische. »Aber du trägst ihre Kleider. Erzähl mir jetzt nicht, dass sie einen ihrer Schüler geschickt hat.«
    »Warum nicht?«, sagte B. »Sie sprechen schließlich auch durch Ihre Schülerin mit mir, oder etwa nicht?« Er sah den alten Mann an. Es gab keinen Grund, den Himmlischen wissen zu lassen, dass B. über den Körpertausch Bescheid wusste. Marla hatte ihm nicht viel über das Leben als Magierin erzählt, aber sie hatte hinreichend durchblicken lassen, dass Geheimnisse etwas Wertvolles waren, das es zu hüten galt.
    »Mein Meister möchte seine Lippen nicht beschmutzen, indem er den Namen dieser stinkenden Hure ausspricht«, sagte der Himmlische ruhig. »Komm näher, Schüler, damit ich dir eine Nachricht für diese Nutte mitgeben kann.«
    »Ich stehe gerne hier, danke«, sagte B. Ganz entfernt registrierte er, dass er beinahe Todesangst hatte. In seinem Bauch spürte er so etwas wie Lampenfieber, was er seit Jahren auf keiner Bühne mehr gehabt hatte. Dann machte er sich all die Schauspieltechniken, die er jahrelang nicht mehr
benutzt, aber nie vergessen hatte, zunutze und schaffte es, weiterhin ganz entspannt auszusehen, seine Stimme klar und fest. Rondeau hatte

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