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Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und bewusst wie immer. Aber der Ausdruck in seinen Augen behauptete das Gegenteil. Tornhill war für rationale Argumente nicht mehr zugänglich. Es hatte keinen Sinn mehr, mit ihm reden zu wollen.
    Wortlos drehte ich mich herum und begann die Treppe hinaufzusteigen.
    »Wo wollen Sie hin, Craven?«, rief Tornhill. »Kommen Sie zurück!«
    Ich antwortete gar nicht, sondern beschleunigte meine Schritte noch. Das Licht am oberen Ende der Treppe schien zu flackern und für einen ganz kurzen Moment bildete ich mir ein, einen schlanken Schatten vorüberhuschen zu sehen, aber ich lief ungerührt weiter. Plötzlich hatte ich keine Angst mehr. Necron würde mich töten, das wusste ich, aber nicht jetzt und nicht hier. Nicht, solange ich ihm das Buch nicht übergeben hatte.
    Tornhill fluchte, rief seinen Männern einen scharfen Befehl zu und begann hinter mir die Treppe hinaufzuwanken. Zwei seiner Männer begleiteten ihn, während der dritte mit angeschlagenem Gewehr unten zurückblieb und die Halle sicherte.
    Der Inspektor erreichte nicht einmal die Hälfte der Treppe. Über mir wuchs plötzlich die hünenhafte Gestalt eines Drachenkriegers in die Höhe.
    Ein gellender Schrei erklang. Metall blitzte auf und etwas Kleines, Flaches surrte wie ein Diskus an mir vorüber, so dicht, dass ich den scharfen Luftzug spüren konnte. Tornhill schrie auf und versuchte dem Wurfgeschoß auszuweichen, aber der kleine, sechszackige Stern aus Stahl folgte seiner Bewegung. Tornhill keuchte, prallte seitlich gegen die Wand und blieb eine halbe Sekunde mit ungläubig aufgerissenen Augen stehen. Blut tropfte auf die steinernen Stufen.
    Die drei Polizisten begannen zu schießen. Verzweifelt warf ich mich nach vorn und prallte hart auf den Marmor der Treppe. Rechts und links von mir klatschten Kugeln gegen die Wand und die Stufen. Aber der Drachenkrieger war schon längst nicht mehr da.
    Ich wälzte mich herum und begann zu schreien, so laut ich konnte. »Lauft!«, brüllte ich. »Lauft weg! Sie bringen euch um!«
    Einer der beiden Männer auf der Treppe beherzigte meinen Rat, während die beiden anderen, halb wahnsinnig vor Angst und Entsetzen, ungezielt weiter auf den Balkon und das obere Ende der Treppe feuerten.
    Das Ende kam schnell. Längs der Halle wurden plötzlich drei, vier Türen aufgerissen und auch über mir erschienen zwei oder drei der schwarzen Schatten.
    Keiner der drei Scotland-Yard-Beamten erreichte auch nur den Ausgang.
     
    Auf dem Gang brannte kein Licht. Nur durch die Tür der Bibliothek, deren rechter Flügel halb offen stand, fiel ein schmaler Streifen trübgelber Helligkeit.
    Die Gestalten der beiden Drachenkrieger, die mich wie zwei stumme Schatten flankierten, wirkten in der Dunkelheit drohender und gefährlicher denn je.
    Aber ich hatte keine Angst. Jetzt nicht mehr. Das Entsetzen, das mich gepackt hatte, als ich hilflos zusehen musste, wie Necrons Killer Tornhill und seine Männer töteten, war einer dumpfen, betäubenden Leere gewichen, als wäre meine Fähigkeit, Schrecken und Furcht zu empfinden, erschöpft. Selbst das Wissen, dass der Tod hinter jener Tür dort vorne auf mich wartete, schreckte mich nicht mehr. Im Gegenteil. Es kam mir fast wie eine Erlösung vor.
    Trotzdem begann mein Herz zu rasen, als ich die Tür erreichte. Auf meiner Zunge breitete sich ein bitterer, metallischer Geschmack aus, verbunden mit einer immer stärker werdenden Übelkeit, die aus meinem Magen emporkroch.
    Aber es war keine Furcht. Es war der Geschmack der Niederlage, den ich zum ersten Mal im Leben wirklich zu spüren begann.
    Einer meiner Begleiter bedeutete mir mit einer befehlenden Geste, stehen zu bleiben, stieß die Tür vollends auf und trat mit einer angedeuteten Verbeugung in die Bibliothek.
    Ich hatte geahnt, was mich erwartete. Trotzdem krampfte sich etwas in mir zusammen, als ich das halb ausgebrannte Zimmer betrat und mich umsah.
    Howard hockte in einem Sessel unter dem Fenster und blickte mir mit steinernem Gesicht entgegen. Sein linkes Auge war halb zugeschwollen und auf seiner Wange war ein frischer, verkrusteter Schnitt. Die Art, in der er die Rechte in den Schoß gelegt hatte, sagte mir, dass sie verstaucht oder gebrochen sein musste.
    Neben ihm, in einem zweiten Sessel, saß der Mann, den ich für die Dauer eines Tages für Howard gehalten hatte. Die Ähnlichkeit war jetzt nicht mehr ganz so verblüffend, aber noch immer groß. Sie waren sich in Statur und Wuchs gleich und obwohl der falsche Bart des

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