Hier ist was faul!
drehte sich wild suchend herum, als würde er den Zickzackflug einer Überschallhornisse verfolgen. »Das ist unheimlich. Wo sind sie? Woher wusste er, dass wir bei dir sind? Sie müssen dich beobachten.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Abigail. »Ich nehme an, dass er das nur für den Fall gesagt hat, dass Nathan Freunde mitbringen würde. Komm, wir verfolgen ihn weiter. Falls sie uns wirklich beobachten, werden sie es ihm wieder sagen.«
Gut, dass wir Monatskarten für den Bus hatten. Mr Murphy ließ mich fast eine Stunde lang quer durch die ganze Stadt fahren. Er sagte jedoch nichts mehr über meine Freunde. Ich stellte fest, dass, egal wie clever er auch war, Abigail schlauer war. Dadurch fühlte ich mich besser. Schließlich wies er mich an, in der Lurchstraße auszusteigen, die nur drei Häuserblocks von der Haltestelle entfernt war, wo meine Fahrt begonnen hatte. In der Straße gab es einige kleine Bürogebäude und ein oder zwei Geschäfte. Das Telefon klingelte sofort wieder, als ich aus dem Bus gestiegen war.
»In der Mitte des Blocks ist ein Museum«, sagte er. »Geh hinein.«
Museum? Ich wusste nicht, dass es hier ein Museum gab. Ich erzählte Abigail und Mookie, was los war.
»Wir warten bei Sprit & Snack um die Ecke«, sagte Abigail. »Nur für den Fall, dass sie den Eingang beobachten.«
Ich ging die Straße entlang. Tatsächlich fand ich genau in der Mitte des Blocks ein altes Backsteingebäude mit abgeplatzten weißen Fensterbänken und brüchiger Eingangstreppe. Es war so was wie die Zombie-Ausgabe eines Gebäudes. In verblassten schwarzen Buchstaben stand an der Tür: NATIONALMUSEUM FÜR FLIESEN UND MÖRTEL .
Fliesen und Mörtel? Kein Wunder, dass ich davon noch nie gehört hatte. Ich hatte so gar kein Interesse an Fliesen und war mir nicht mal sicher, was Mörtel ist. Ich versuchte die Tür zu öffnen, obwohl es aussah, als ob das Gebäude verschlossen wäre.
Sie ging auf.
Drinnen war es viel schöner als von außen. Es erinnerte mich an eine wirklich riesige Ausführung des Büros des Schuldirektors – ohne die Poster von den New York Giants . Die Wände waren hellgrün gestrichen, und das Mobiliar sah recht neu aus. Hinter einem Tisch saß eine alte Frau und strickte einen orangefarbenen Schal.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich. »Ich glaube, ich bin hier falsch.«
Sie sah von ihrer Strickerei auf. »Bist du hier, um dir die Fliesensammlung anzusehen?«
»Nein.«
»Bist du an unserer Spezialmörtelausstellung interessiert?«
»Mit Sicherheit nicht.«
»Wie wär’s mit der Halle der Spachtel?«
»Keineswegs.«
»Öfen?«
»Nein.«
»Die Geschichte des Lehms?«
»Keine Chance.«
»Dann bist du hier richtig.« Sie legte die Nadeln hin und zeigte auf einen Fahrstuhl in der Mitte der hinteren Wand. Während ich hinüberging, glitten die Türen auf.
Ich stieg ein. Ist das ein Fehler?
Ich konnte diese Frage nicht beantworten. Die Türen schlossen sich. An der Rückwand war ein Sitz befestigt – wie in einer Achterbahn.
»Nehmen Sie bitte Platz.«
Die aufgezeichnete Stimme kam aus einem in die Decke eingebauten Lautsprecher. Sie klang freundlich, wie meine Tante Nina. Ich setzte mich.
Ein Sicherungsbügel kam von oben über meinen Kopf herab und schützte meine Brust.
»Bitte sichern Sie alle losen Gegenstände.«
Mit Ausnahme meiner Finger und Zehen hatte ich keine losen Gegenstände.
»Bitte festhalten.«
Ich hielt mich an den Griffen fest.
Die Fahrstuhlkabine machte eine Vierteldrehung. In den Wänden brummte etwas, das sich wie ein Düsenflugzeug in der Anlaufphase anhörte.
»Aaaaaah!«
Als die Kabine nach vorne schoss, wurde ich in den Sitz gepresst. Die Beschleunigung nahm so lange zu, bis ich wie festgenagelt dasaß. Ich hatte keine Ahnung, wie schnell ich war, aber ich war ziemlich sicher, dass ich noch nie so schnell in einem Fahrstuhl gefahren war. Oder in einem Zug. Nach einigen Minuten schwenkte die Kabine plötzlich in die andere Richtung.
»Ooooaaaah!«, schrie ich, als wäre ich in einem Karussell auf dem Jahrmarkt unterwegs. Genau genommen war es eine ziemlich coole Tour. Während ich rückwärtssauste, wurde der Druck noch stärker. Vermutlich hielt die Kabine genauso schnell an, wie sie beschleunigt hatte.
Sie rollte noch ein bisschen, bevor sie hielt. Dann drehte siesich noch mal und die Tür öffnete sich. Beim Aussteigen bemerkte ich, dass es rechts und links von mir eine ganze Reihe Fahrstuhltüren gab. Auf jeder stand eine Nummer.
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