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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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wiederkommen würde? Dass das wunderbare Buch über das Leben der Insekten, das er ihm vor zwei Tagen mitgebracht hatte, sein letztes Geschenk bleiben würde? Oder dass er nicht auf dem hübschen kleinen Gut am Ufer des Saint-Laurent auf seinem Pony mit ihm ausreiten würde, weil sie nicht dort wohnen würden? Zumindest würde sie ihren eigenen Kummer vergessen, während sie Gabriel tröstete. Das musste sein, denn sie selbst hatte niemanden, der ihr Trost schenken konnte.
    An der Tür klopfte es diskret. Sie gab keine Antwort, aber die Tür öffnete sich trotzdem, und in dem Spalt erschien eine weiße Haube.
    »Madame?«, rief Louisette leise.
    Isabelle fragte sich, warum das Hausmädchen flüsterte, wenn sie die Absicht hatte, sie zu wecken. Sie drehte sich auf die Seite, sodass sie ihr den Rücken zuwandte, und schloss die Augen. Dennoch zog das Mädchen die Vorhänge auf, und helles Tageslicht fiel in den Raum.
    »Madame … Ihr müsst aufstehen. Es ist schon nach Mittag.«
    Louisette ging auf leisen Sohlen. Der schwarze Taft des Kleids raschelte. Heute würde sie offiziell die Rolle der Witwe des Notars Larue antreten.
    »Madame … Der Pfarrer ist gekommen, und Monsieur Guillot ebenfalls. Gabriel fragt ohne Unterlass nach Euch. Bitte!«
    Guillot? Jacques Guillot? Natürlich. Er war wie jeden Morgen zur Arbeit gekommen. Wusste er denn nicht, dass er keinen Kompagnon mehr hatte? Isabelle schlug die Augen auf. Sie hatte den Eindruck, dass Louisette ebenfalls geweint hatte. Das Dienstmädchen schenkte ihr ein leises Lächeln, um sie aufzumuntern. Dann nahm sie ihren Arm, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
    »Wo ist Gabriel?«
    »In der Küche. Marie gibt ihm zu essen.«
    Isabelle nickte.
    »Er fragt nach seinem Papa. Wir wissen nicht, was wir ihm antworten sollen, Madame. Wir wagen nicht, ihm zu sagen, dass er tot ist… Auf gar keinen Fall darf er den Salon betreten, wo Monsieur aufgebahrt ist.«
    »Aber er ist tot, Louisette. Was wollt ihr ihm denn sagen? Dass er sich mit einem Klienten trifft und zum Abendessen zurück ist?«
    Verlegen zog sich das Dienstmädchen zurück.
    »Tut mir leid, Madame.«
    »Nein, mir tut es leid, Louisette«, entschuldigte sich Isabelle seufzend. »Es ist wohl meine Aufgabe, ihm das zu erklären. Hilf mir beim Anziehen und Frisieren. Ich will Monsieur Guillot nicht allzu lange warten lassen.«
    Als Isabelle in das Arbeitszimmer trat, beugte sich Jacques Guillot, die Stirn in die Handfläche gestützt, über ein Papier. Er hörte sie nicht eintreten und las weiter. Wie so oft, wenn Pierre nicht da war, saß er in dessen Sessel. Mit einem Mal empfand sie das Bedürfnis, alles anzusehen, was zum Leben ihres Mannes gehört hatte, es aufzunehmen und sich einzuprägen, ehe Staub alles überzog. Sie ließ den Blick über die Bücher schweifen, von denen Dutzende hier standen. Pierre hatte sie so sehr geliebt. Dann konzentrierte sie sich auf die Möbel. Den kleinen Sekretär, in dem er Cognac und Gläser aufbewahrte, hatte er aus Frankreich kommen lassen. Dieses Meisterstück mit den langen, geschwungenen Beinen und den Intarsien aus Perlmutt, die stilisierte Palmwedel darstellten, und der Klappe, die ein von Blattwerk umgebenes Wappen zeigte, liebte er besonders. Die ganz und gar französische Eleganz hob das Möbel von den strengeren Linien des englischen Sessels und dem rustikalen großen Schreibtisch, den er von seinem Vater geerbt hatte, ab. Eine Mischung verschiedener Stile, die aber geschmackvoll kombiniert waren.
    Pierre liebte es, wenn Gegenstände harmonierten und Ordnung herrschte. Jedes Buch, jede Schreibfeder, jede Nippesfigur hatten ihren Platz. Seine strikte Art schien in jedem Winkel seines Arbeitszimmers, aber auch in seinen Gewohnheiten durch. Er weigerte sich, seinen Tee zu trinken, wenn er nicht exakt die richtige Temperatur hatte, geriet außer sich, wenn ein Klient nicht pünktlich kam, und begann mit einem Schriftstück ganz von vorn, wenn ihm ein Tintenklecks unterlief. Bei ihr allerdings war er nicht so anspruchsvoll. Er wartete geduldig, wenn sie lange brauchte, um sich zum Ausgehen zurechtzumachen, und lächelte nur, wenn sie ein wenig Wein auf den Teppich schüttete.
    Aufgewühlt von ihren Erinnerungen schloss sie die Augen, um die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Der Ledersessel knarrte. Sie öffnete die Augen und wandte den Blick zum Schreibtisch. Jacques Guillot war aufgestanden. Seine bedrückte Miene rührte sie. Sie wusste, dass er Pierre sehr zugetan

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