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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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ihm Selbstbewusstsein.
    »Ihr seid ein Mann des Gesetzes. Wie viel verlangt Ihr dafür, dass Ihr mir helft, sie wiederzubekommen? Isabelle hätte das so gewollt …«
    »Gütiger Himmel!«
    Der Koffer entglitt Jacques Guillots Händen und knallte auf die Straße. Er war kalkweiß geworden und musterte den lebenden Toten, der vor ihm stand. Diese blauen Augen… genau das gleiche Blau wie bei Gabriel. Er hatte ein Gefühl, als tue sich der Boden zu seinen Füßen auf und um ihn herum bräche alles zusammen. Das war das Ende seiner Träume.
    Nicht weit entfernt musterte ein anderer Mann wie vom Donner gerührt die gebeugte Gestalt des Schotten. Reglos stand er da, rang nach Luft und fragte sich, ob er träumte. Dann hob der Schotte den Koffer auf und reichte ihn Guillot zurück, der ganz bleich geworden war. Dabei wandte er sich ein wenig zur Seite. Er war es wirklich!
    Er wirkte weniger kräftig, als in seiner Erinnerung, und sein Haar war grauer. Aber der gebrochene Nasenrücken, das energische Kinn, die eigentümliche Form des Mundes und die verstümmelte Hand … all das bewies, dass er Alexander Macdonald vor sich hatte. Unmöglich, dass er sich irrte.
    Doch er vermochte sich nicht zu erklären, wie es dazu gekommen war. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie er in die brennende Hütte gelaufen war. Er hatte gesehen, wie die anderen seine Leiche aus den noch rauchenden Trümmern gezogen hatten. Und er war Zeuge gewesen, wie Isabelle an seinem Grab weinte. Was sollte er davon halten? Ein Entsetzensschauer lief ihm über den Rücken. Wer war dieser Mann, der nur starb, um wieder aufzuerstehen? Étienne schüttelte seinen dunklen Haarschopf und zog die Augen zusammen. Dann trat ein irres Glitzern in seinen Blick; er hatte das Gold schimmern gesehen.
    »Ob du aus der Hölle zurückkehrst, Macdonald, oder von anderswo, dieses Mal entkommst du mir nicht!«

21
Das Opfer
    Unter lautem metallischen Knirschen und hölzernem Knarren kam der Karren zum Halten. Ein Rotschulterstärling, der auf einem Zaun saß, begrüßte ihn mit langgezogenem Trillern. Ein Stück weiter weg, in einem von dem Morgennebel, der noch über den Korn- und Maisfeldern hing, umflossenen Birkenwäldchen, stritten sich lautstark zwei Zeisige.
    »Hier ist es!«
    Jacques Guillot atmete tief durch. Von hier aus konnte er das Dach des Hauses erkennen, das die Einfriedung aus Ahornbäumen überragte. Eine graue Rauchsäule stieg aus dem Kamin auf, und ein köstlicher Duft nach gebratenem Fleisch verriet, dass die Frauen schon das Festmahl zubereiteten, das beim Empfang aufgetischt werden sollte. Er seufzte.
    In der Ferne strömte ruhig der Saint-Laurent dahin. Mit einem Mal kam ihm eine Kindheitserinnerung in den Sinn. Er musste damals in Gabriels Alter gewesen sein und hatte mit seinem Vater auf dem Fluss geangelt. Als er von der Schaluppe aus, die mit der Strömung dahintrieb, beobachtet hatte, wie die Île de Montréal vorüberzog, hatte er gemeint, die Erde bewege sich und das Wasser verharre an seinem Platz. »Mein Junge«, hatte sein Vater ihm lachend erklärt, »die Erde ist so unwandelbar wie das Schicksal. Das Wasser dagegen befindet sich in Bewegung, so wie das Leben. Das Wasser passt sich der Erde an, so wie das Leben sich dem Schicksal unterwirft.«
    An diesem Morgen spürte Jacques Guillot die ganze Macht dieses Schicksals. Trotz des ständigen Angriffs durch Wogen und Gezeiten hielt es stand und überdauerte. Aller Erosion zum Trotz blieb es unwandelbar. In der Ferne brüllte träge eine Kuh, und ein Hund kläffte zur Antwort energisch. Dann wurde es wieder still. Jacques schloss die Augen. Er war so aufgewühlt, dass sein Herz raste. Ob er seine Handlungsweise später bereuen würde? Oh, ganz bestimmt! Sein ganzes Leben lang … Aber wenn er jetzt nichts unternahm, würde er sich erst recht zürnen.
    Er schaute zur Straße und erblickte in dem Staub, den der Karren aufgewirbelt hatte, in der Ferne die Silhouette eines Mannes. Eine Weile beobachtete er ihn und dachte dabei an Isabelle. Er stellte sich vor, wie seine Muse, in zartes Grün gekleidet, im halbdunklen Gang zum Altar auf ihn zutrat. In diesem Moment saß sie sicher in ihrem Lieblingssessel an einem der Fenster im Salon, um auf den Fluss hinauszusehen, der gemächlich in Richtung Ozean floss. Bald würde ein Schiff durch die Landschaft ziehen…
    Die Brise liebkoste seine glattrasierten Wangen, beruhigte die Haut, die noch von der scharfen Klinge brannte, und tröstete ihn ein

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