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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Er hatte ein Gesicht wie ein kleiner wacher Vogel. Sie hatte sogar schon einen Namen für ihn gehabt. Félicien sollte er heiße n – der Glücklich e … Bald würde er beim lieben Gott sei n … Ein kleiner, vogelgesichtiger, glücklicher Enge l …
    »Bist du etwa eingeschlafen? Na, du hast vielleicht Nerven!«
    Florence hatte gar nicht gemerkt, dass Madame Clotilde ihr Telefongespräch beendet hatte. Jetzt bückte sie sich zu Boden und rollte eine Gummiplane aus. Als sie wieder aufstand, sah Florence, dass sie inzwischen eine weiße Plastikschürze trug. Sie sah aus wie Monsieur Bertrand, der Metzger in der Rue des Saints-Pères. Stöhnend zog sie eine große, flache Zinkwanne unter dem Küchentisch hervor und schob sie unter das Gestell, auf dem Florence lag.
    »Das ist nur wegen der Schweinerei. Irgendwo muss das Zeug ja hin. Möchtest du vielleicht einen Schluck Calvados? Ich habe Selbstgebrannten, von meinem Schwager aus Brest.«
    »Ic h … ich glaube, lieber nicht. Das Chini n …« Florence hatte solche Angst, dass sie den Satz nicht zu Ende sprechen konnte.
    »Ganz wie du willst, Kindchen.«
    Madame Clotilde nahm eines von den silbernen Instrumenten und trat an ihren Stuhl. Der Stahl war so kalt zwischen ihren Schenkeln, dass Florence eine Gänsehaut bekam.
    »Jetzt tut’s ein bisschen weh. Nicht erschrecke n – das muss so sein. Wenn’s wehtut, ist das ein gutes Zeichen.«
    Im selben Moment spürte Florence einen scharfen Schmerz, als würde ein Messer in ihren Unterleib fahren. Um nicht aufzuschreien, biss sie sich auf die Lippen. Während Madame Clotilde immer tiefer in sie eindrang, verwandelte sie sich selber in eine einzige große klaffende Wunde. Madame Clotilde stieß das Messer vor und zurück und zur Seite, drehte es in ihren Gedärmen, kratzte und schabte, hin und her, rauf und runter, um sie auszuweiden wie einen Fisch. Florence krallte sich mit beiden Händen an dem Stuhl fest. Es tat so höllisch weh, dass sie fast die Besinnung verlor. Wie durch Watte hörte sie die Stimme von Madame Clotilde, die bei der Arbeit immer wieder vor sich hin fluchte.
    »So ein zähes Bies t … Als würde es sich an sein bisschen Leben klammer n … Manchmal glaube ich, die Bälger haben schon einen eigenen Wille n …«
    Florence schloss die Augen und flüsterte ein Gebet. Sie hatte den Kelch angenommen, jetzt musste sie ihn austrinken, bis zur bitteren Neige. Es war der größte Beweis ihrer Liebe, zu dem sie fähig war. Wieder stieß Madame Clotilde in sie hinein, und wieder biss Florence sich auf die Lippen. Was bedeuteten die Schmerzen im Vergleich zu dem Lohn, der auf sie wartete?
    »Na, wirst du wohl endlich ! … Himmelherrgottsakrament! Sonst hat es doch immer geklappt ! … Ja, Kindchen, presse n … Genau so! Als hättest du Verstopfung ! … So ist es gut, jetzt nur nicht nachlassen ! … Noch einmal! So feste du kannst ! … Bald haben wir es geschaff t …«
    Florence versuchte alles zu tun, was Madame Clotilde befahl. Sie nahm die Stimme in sich auf, damit sie zu ihrem eigenen Willen wurde. Wieder zog ihr Unterleib sich vor Schmerzen zusammen, und wieder strengte sie sämtliche Muskeln an, damit die Kontraktion sich verstärkte.
    »Heilige Maria, Muttergottes, bitte für uns Sünder. Jetzt und in der Stunde unseres Tode s …«
    Plötzlich brach irgendetwas aus ihr hervor, und eine warme Flüssigkeit rann an ihren Schenkeln herab.
    »Amen!«
    Madame Clotilde richtete sich zwischen ihren Beinen auf, das breite Gesicht hochrot vor Anstrengung. Mit einem grimmigen Lächeln streifte sie ihre Handschuhe ab. Sie waren über und über mit Blut verschmiert, genauso wie die Schürze vor ihrer Brust.
    »Das war ein hartes Stück Arbeit, Kindchen. Aber du hast prima mitgemacht.«
    Florence wusste nicht, ob sie noch wach war oder träumte. Sie spürte nur das Blut an ihren Beinen, hörte, wie es in die Zinkwanne unter ihr am Boden tropfte.
    War es wirklich vorbei?
    Wieder sah sie Harry vor sich, zärtlich schaute er sie an. Ein süßes, ohnmächtiges Gefühl überkam sie. Sie konnte es gar nicht erwarten, ihm zu sagen, dass es vollbracht war. Wenn sie ihm sagte, dass es kein Kind mehr gab, würde er sie wieder lieben wie früher. Für immer und alle Zei t …
    Während alles sich vor ihren Augen zu drehen begann, schwand Florences Bewusstsein dahin, und sie sank in Ohnmacht.
    17
    Mit lautem Knall löste sich der Pfropfen aus der Flasche, und rauchend schäumte der Champagner in die Gläser. Harry hatte

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