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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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verlangte er und ballte die Fäuste. Die Spannung in seinen Muskeln ließ mich vermuten, dass er sofort aufspringen und dort hinfahren würde. Zum Friedhof, wo ihn die Huntsmen gestern erwartet hatten. Für ein paar Sekunden spielte ich mit dem Gedanken, ihn anzulügen. Dann fiel mir etwas Besseres ein.
    Â»Ich kann es nicht genau erklären, aber ich könnte dir den Ort zeigen. Wenn …«
    Â»Wenn was?« Seine Ungeduld rührte mich. Was immer diese Steine sangen, es schien wichtig zu sein. Ich erinnerte mich an das Lied, ein Kinderlied, und überlegte, ob es vielleicht eine Nachricht seiner Mutter sein könnte.
    Â»Ich werde mit dir dort hingehen, wenn du der Meinung bist, dass es sicher ist.«
    Â»Verstehe.« Er wich meinem Blick aus. »Der Stein steht auf dem Friedhof, nicht wahr?«
    Och nee. War ich so leicht zu durchschauen?
    Â»Ich war bisher immer nur sonntags dort. Sie werden mich heute nicht da vermuten.«
    Â»Dann komme ich mit dir.«
    Â»Nein, Noa. Das ist zu gefährlich.«
    Â»Ach? Gerade war es noch ganz harmlos!« Ich streckte den Rücken durch. »Ohne mich musst du viel zu lange nach dem richtigen Stein suchen. Ich kann dir zeigen, wo er steht, du hörst ihn dir an und wir sind innerhalb von fünf Minuten wieder weg. Außerdem kenne ich mich in der Gegend besser aus als du. Falls wir wirklich flüchten müssen, weiß ich gute Verstecke.«
    Marlon gab nicht gerne nach, wusste aber, dass ich die besseren Argumente hatte. Und so fuhren wir los. Auf dem Weg erklärte er mir, was er genau in den Steinen suchte.
    Â»Unsere Verwandlung sollte im letzten Jahr stattfinden. Für Corbin war es da bereits höchste Zeit und ich wollte ihn begleiten, auch wenn ich noch problemlos ein Jahr hätte warten können.« Er legte den Gang unnötig ruppig ein, bemerkte es und atmete durch, um sich zu beruhigen, bevor er weitersprach. »Doch wir waren nicht vorsichtig genug, die Huntsmen fanden heraus, wo wir uns mit den anderen Harpyien treffen wollten. Wir wurden angegriffen und mussten fliehen. Die alles entscheidende Lammas-Nacht, in der die Magie stark genug ist, um der Verwandlung ihre Gefahr zu nehmen, verging. Kurz darauf lernten wir Emma kennen. Sie wusste von dem Angriff auf uns, ohne dass wir uns erklären konnten, woher.«
    Er machte eine Pause und ich sprach meine Vermutung aus: »Sie hat es in einem Stein gehört?«
    Marlon sah aufs Lenkrad. »Ja. Die Fähigkeit, Steine zu besingen, haben nur Harpyien. Angeblich ist diese Fähigkeit nur der Anfang und wir können Steine nicht nur als reine Informationsspeicher, sondern noch viel weitreichender nutzen. Legenden zufolge gab es Harpyien, die Portale in den Stein singen konnten, durch die man von einem Ort zum anderen gehen konnte. Vielleicht sogar durch die Zeit – wer weiß. In jedem Fall lassen sich Steine sowohl oberflächlich als auch sehr tief besingen, sodass unter einem Lied noch sehr viel mehr versteckt liegen kann. Aber so etwas braucht viel Übung und auch ein gewisses Talent. Und es ist nicht immer ungefährlich.«
    Â»Du glaubst, in dem Stein, den ich gehört habe, ist noch mehr als nur ein Lied verborgen? Eine Botschaft?«
    Er warf mir einen amüsierten Blick zu. »Verrate mir doch bitte mal, warum jemand ein Kinderlied in einem Stein hinterlassen sollte.«
    Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. »Und denkst du auch, dass du diese Botschaft verstehen kannst?«
    Â»Von Corbin, Emma und mir bin ich der Beste, was das Zuhören betrifft«, antwortete er ohne jeden Stolz. »Wenn sie jemand versteht, dann bin ich das.«
    Ich dachte eine Weile darüber nach, erinnerte mich daran, wie er an den Statuen gelauscht hatte. An sein fast schon verzweifelt konzentriertes Gesicht an dem Tag, als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
    Â»Was genau suchst du eigentlich so verbissen?«
    Marlon seufzte laut, es war fast ein Stöhnen. »Den Treffpunkt«, sagte er dann sehr leise. »Die Stelle, zu der wir in diesem Jahr in der Lammas-Nacht kommen müssen. Ich bete den Himmel an, dass Corbin es noch so lange durchhält. Wenn wir diesen Ort nicht finden, ist er verloren. Er schafft es noch ein paar Tage. Keinesfalls ein weiteres Jahr.«
    Â»Dann sind zwanzig Jahre so was wie die Grenze?«
    Â»Ideal sind sechzehn oder siebzehn Jahre. Achtzehn geht auch noch. Bei neunzehn Jahren wird es wirklich kritisch

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