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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ganz bestimmt«, meinte Marlon ironisch.
    Emma zog eine Grimasse. »Es ist nicht meine Schuld, dass frisch verwandelte Raben gefährlich sind.«
    Ich sah zwischen den beiden hin und her. »Sie sind doch nicht gefährlich.«
    Â»Wenn man ein Star ist und nur so groß«, Emma maß knappe zwanzig Zentimeter mit den Händen ab, »dann schon.«
    Marlon schlug die Beine übereinander. »Die Größe ist egal, es kommt auf die Technik an.«
    Â»Ja«, meinte Emma gedehnt. »Und ich traue dir und Corbin genug Technik zu, um mich aufs Kreuz zu legen. Flugtechnisch, versteht sich. Und dann werde ich vernascht.« Sie wurde wieder ernst und wandte sich mir zu. »Vom Sicherheitsaspekt mal abgesehen, geht es wirklich nicht. Jeder Schwarm hat seine eigene Magie.«
    Â»Ich habe nie herausgefunden, ob es für Kuckucke eine Ausnahme gibt«, überlegte Marlon. »Die legen ihre Eier schließlich in fremde Nester.«
    Corbin zeigte ihm einen Vogel und stand schwerfällig auf. »Löst ihr das Rätsel der Kuckucke. Ich guck mal, was mein Bett macht.« Er schlurfte aus dem Wohnzimmer und wir anderen warfen uns betretene Blicke zu.
    Guter Gott, er machte Schritte, als hätte er Angst, seine Knochen würden brechen, sobald er stärker auftrat. Es musste ihm wirklich schlecht gehen.
    Â»Wie hoch ist seine Temperatur?«, fragte Marlon leise, nachdem die Zimmertür hinter seinem Bruder zugefallen war.
    Â»Zu hoch«, erwiderte Emma müde. »Er kontrolliert sie nicht mehr, vermutlich, weil es ihm Angst macht. Ich schätze, sie liegt konstant über 38   Grad.«
    Marlon machte Anstalten, auf den Tisch zu schlagen, zog seine Hand jedoch auf halbem Weg zurück. »Warum nimmt der Hornochse keine Medikamente! Ein Fiebermittel würde ihm vielleicht ein paar Tage geben. Bei normaler Temperatur gibt es keine Metamorphose.«
    Emma legte beruhigend eine Hand auf seinen verkrampften Unterarm. »Marlon. Er nimmt die Medikamente. So viele, dass ihm davon übel wird. Er muss auf die Verwandlung hoffen, anderenfalls braucht er bald eine neue Leber.«
    In diesem Moment wurde Marlons Gesicht erst bleich, dann starr. Wächsern. Er sah durch Emma hindurch, als würde er auf etwas lauschen. Ich hörte es auch. Gitarrenmusik. Und kurz darauf Corbins leise, raue Stimme, die dazu sang.
    Â»All my bags are packed, I’m ready to go …«
    Er sang diesen alten Song von John Denver. Leaving on a Jet Plane.
    Â»Das hat er seiner Freundin immer vorgesungen«, flüsterte Marlon.
    Ich wollte nicht wissen, was es bedeutete, dass er das Lied nun allein sang. Ich ahnte den Grund, aber ich erlaubte dem Gedanken nicht, sich auszuformulieren.
    Keiner von uns wagte zu atmen. Wir hörten zu. Versuchten, keinen der gedämpft durch die Tür dringenden Töne zu verpassen. Das war alles, was wir für Corbin tun konnten.
    Â»So kiss me and smile for me. Tell me that you’ll wait for me. Hold me like you’ll never let me go.«
    Marlon war es, der die Stille brach, die daraufhin entstanden war. Heftig zog er die Nase hoch. Er weinte. Und dann sprang er auf, rannte zu Corbins Tür und hämmerte mit beiden Fäusten dagegen. »Hör mit dieser Scheiße auf!«, brüllte er. »Du bleibst hier, hast du mich verstanden? Du blöde Missgeburt bleibst bei deinem Missgeburtsbruder, bis wir beide so weit sind! Kapierst du das? Ich lass dich nicht gehen! Ich lass dich, verdammt noch mal, nicht gehen!«
    Ich trat zu ihm und schlang meine Arme um ihn. Er bebte, als würden ihn Krämpfe schütteln. Immer noch schlug er auf die Tür ein.
    Â»Ich brauche ihn«, wisperte er irgendwann und ließ die Fäuste sinken. »Ich schaff das nicht ohne ihn. Er kann jetzt nicht –«
    Â»Er wird kämpfen«, versprach ich ihm. Da war ich sicher. Ob er es schaffen würde? Wie konnte ich das wissen? Emma und Marlon wussten mehr über diese Metamorphose, ich war völlig ahnungslos. Ihre Gesichter gaben sehr viel preis. Angst, Ungewissheit, Trauer. Aber Hoffnung? Ich konnte keine erkennen.
    Marlon blieb vor Corbins Tür stehen, die Stirn an das Holz gepresst. Ich konnte nichts tun, außer bei ihm zu bleiben, auch wenn ich nicht wusste, ob das richtig war. Auch Emma kam zu uns. Sie setzte sich auf den Boden, lehnte den Kopf gegen die Wand in ihrem Rücken und summte leise vor sich hin. Das Lied ließ uns zur Ruhe

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