Himmelsgöttin
Roberto.
Die Männer des Haifischvolks weigerten sich, mit ihm zu reden, und die Frauen ignorierten ihn – mit Ausnahme von Sepie, die nun sauer auf ihn war – Tucker war ans andere Ende der Insel gebracht worden. Kimi fühlte sich einsam. Und als er so den Strand entlangging, vorbei an Kindern, die mit einem zahmen Fregattvogel spielten, und vorbei an den Männern, die im Schatten eines leeren Bootshauses herumgammelten, verwandelte sich seine Einsamkeit in Zorn und Wut. Er ging den Strand hinauf und nahm einen Pfad zurück ins Dorf, um Ausschau nach einer Waffe zu halten. Es war an der Zeit, dem alten Kannibalen einen Besuch abzustatten.
Vor jedem Haus ragte in der Nähe der Kombüse eine Eisenspitze aus dem Boden – in den meisten Fällen die Spitze einer Picke, die in den Boden gerammt worden war, um Kokosnüsse darauf zu spalten. Kimi blieb bei einem der Häuser stehen und zerrte an der Eisenspitze, doch sie ließ sich nicht bewegen. Er schlich zwischen den Häusern hindurch, die nun am frühen Morgen leerstanden, da die Frauen auf dem Taro-Feld arbeiteten und die Männer im Schatten herumdösten. Er warf einen Blick in die Kombüse von einem der Häuser, und dort, neben dem Kochtopf, an dem noch die Kruste des Reisfrühstücks klebte, fand er ein langes Küchenmesser. Er schaute sich nach allen Richtungen um, damit er sicher sein konnte, daß niemand ihn beobachtete, und huschte schnell hinein in den Anbau, wo er sich das Messer schnappte und in seinen Thu steckte, so daß nur der Griff hinten aus dem Bund herausragte.
Zehn Minuten später kauerte er versteckt zwischen riesigen Farnsträuchern und beobachtete den alten Kannibalen, wie er die Fasern von Kokosnußschalen auf seinen ledrigen Schenkeln zu einem Seil zusammenrollte. Er saß mit dem Rücken an eine Palme gelehnt, die Beine ausgestreckt, und zog Fasern, die er vorher in einem Korb eingeweicht hatte, aus ebendiesem und wog sie in der Hand, um so die richtige Menge abzuschätzen, die er dem Seil hinzufügen mußte, das neben ihm zusammengerollt auf dem Boden lag und immer länger wurde. Von Zeit zu Zeit hielt er mit seiner Tätigkeit inne und trank aus einem Krug mit einer milchigen Flüssigkeit, von der Kimi annahm, daß es sich dabei um alkoholischen Tuba handelte. Wenn er betrunken war, um so besser.
Im Schutz der Riesenfarne und Elefantenohren schlich Kimi um das Haus herum, immer darauf bedacht, den Korallenkies nicht aufzuwirbeln, der knirschte wie zerbrochenes Glas, wenn man seine Füße nicht vorsichtig darauf setzte.
Sobald er hinter dem alten Mann war, zog er das Messer hinter seinem Rücken hervor und schlich langsam vorwärts, um den Mann zu töten, der seinen Freund verspeist hatte.
Vom Fenster seiner neuen Unterkunft aus schaute Tucker zu, wie die japanischen Wachen die Siedlung mit Palmwedeln und abgebrochenen Ästen auf den Armen durchstreiften – die Hinterlassenschaft des Taifuns –, die sie dann auf einer freien Fläche ausbreiteten, um sie in der Sonne trocknen zu lassen. Ihre Kleidung erinnerte an ein Sondereinsatzkommando der Polizei – schwarze Overalls, Baseballmützen und Fallschirmspringerstiefel –, und wenn er die Augen zusammenkniff, wirkten sie wie riesige Ameisen, die den Bau saubermachten. Von Zeit zu Zeit warf einer der Wachen einen Blick in Richtung seines Bungalows und wandte sich rasch wieder ab, wenn er Tucker in seinem Schlafanzug am Fenster stehen sah. Er hatte es aufgegeben, ihnen zuzuwinken, nachdem er in der ersten Stunde komplett ignoriert worden war.
Seit vier Tagen war er nun in dem Ein-Zimmer-Bungalow, doch heute fühlte er sich zum ersten Mal kräftig genug, um aufzustehen und ein wenig weiter umherzulaufen als bis ins Badezimmer, das, wie er mit einiger Überraschung feststellte, mit fließend warmem und kaltem Wasser, einer Toilette mit Wasserspülung und einer Duschkabine aus galvanisiertem Metall ausgestattet war. Die Wände des Bungalows bestanden aus Gras, das fest auf einen massiven Rahmen aus Teakholz und Mahagonibalken geflochten war; der Boden bestand aus unbehandeltem Teak, das lediglich abgeschliffen war und rosa schimmerte; die Rattanmöbel waren mit bunten Kissen und Polstern versehen. Ein Ventilator drehte sich träge an der Decke über dem Doppelbett mit einem Baldachin aus Moskitonetz. Die Fenster auf der einen Seite des Raums boten einen Blick auf die Siedlung und den Hangar, während man von der anderen Seite aus durch einen Palmenhain hindurch aufs Meer blickte. Er
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