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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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der Wagen startete.
    Daniel versuchte, die Panik in Schach zu halten. Vielleicht hatte diese Festnahme doch auch etwas Gutes. Endlich wurde er aus dem Tal herausgebracht. Er hatte es sich zwar nicht so vorgestellt, mit den Handschellen, aber nun würde er zu einer Polizeistation in der nächstgelegenen Stadt gefahren und die Angelegenheit würde untersucht werden. Corinne und der verletzte Mann würden für ihn aussagen, Tom war offenbar in der Gegend als Verrückter bekannt.
    Es war unangenehm, in einem Fahrzeug ohne Fenster zu fahren. Daniel wurde übel. Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass das Auto die ganze Zeit leicht nach links fuhr, aber das bildete er sich wohl ein.
    Das Auto hielt an, die Türen wurden geöffnet. Sie befanden sich am Eingang eines großen Gebäudes. Es sah nicht aus wie eine Polizeistation. Daniel drehte sich um und sah den Park, der zum Tal hin abfiel, und weiter weg die senkrechte, gelbweiße Wand mit den schwarzen Abdrücken. 
    Dann wurde ihm plötzlich klar, dass er nicht nur die Uniform der Männer erkannte, sondern auch die Männer selbst. Zumindest zwei von ihnen. Es waren die Wachen, die ihn und Marko in die Krankenabteilung gebracht hatten.
    Er war also immer noch im Tal. Er war in der Reha-Klinik von Himmelstal. An dem Gebäude, wo er Doktor
Obermann vor wie vielen Tagen besucht hatte? Gestern! Mein Gott, das war gestern. Irgendetwas passierte mit der Zeit in Himmelstal.
    »Er ist jetzt da«, sagte der andere Mann in sein Handy.
    Die Glastüren vor ihnen glitten auf.

 
    27  Um den großen Konferenztisch saßen Männer und Frauen, die in ihren Unterlagen blätterten. Als Daniel, eskortiert von zwei Stewards, den Raum betrat, richteten sie alle den Blick auf ihn, interessiert, erwartungsvoll und vielleicht – Daniel war sich nicht ganz sicher – freundlich.
    Gisela Obermann stand auf und kam ihm entgegen. Sie war etwas strenger gekleidet als bei ihrem letzten Treffen. Sie hatte auch etwas mit den Haaren gemacht, aber er konnte nicht sagen, was. Mit einem Blick forderte sie die beiden Stewards auf, den Raum zu verlassen, dann berührte sie leicht und einladend Daniels Arm. Sie bat ihn, sich neben sie auf den freien Stuhl zu setzen, und wandte sich an ihre Kollegen.
    »Die meisten haben Max ja schon getroffen und kennen seinen Hintergrund. Der Grund, warum ich ihn gebeten habe, heute zu uns zu kommen, ist zum einen ein Vorfall, der sich vor ein paar Stunden ereignet hat, und zum anderen ein Prozess, der nun schon länger abläuft und der für uns von Interesse sein könnte. Ich freue mich, dass du kommen konntest«, fuhr sie zu Daniel gewandt fort, »und dass du uns bei unseren Forschungen helfen willst.«
    Daniel warf ihr einen kühlen Blick zu. Er war nicht freiwillig hier. Er war in Handschellen in die Klinik gebracht worden und hatte die letzten Stunden in einem Wartezimmer zubringen müssen. Dort hatte er deutsche und amerikanische Illustrierte gelesen, ab und zu hatte eine Schwester zu ihm hereingeschaut, ihm Orangensaft und belegte Brote gebracht und ihn gebeten zu warten. Dann waren plötzlich zwei Männer in hellblauen Stewarduniformen aufgetaucht und hatten ihn höflich gebeten, in das Stockwerk der Ärzte mitzukommen.
    »Könnten wir damit beginnen, dass du uns sagst, wie du heißt«, sagte Gisela Obermann.
    »Was ist das denn für ein Unsinn«, unterbrach sie ein älterer Mann, den Daniel von den Inspektionsrunden auf dem Klinikgelände kannte. Doktor Fischer, Klinikchef und Oberarzt. Haare wie eine Drahtbürste.
    »Bitte hören Sie erst mal zu. Es ist vielleicht wichtiger, als Sie glauben, Doktor Fischer.« Gisela wandte sich wieder an Daniel. »Wie heißt du«, fragte sie und bewegte dabei deutlich die Lippen, wie bei einem Hörgeschädigten.
    »Daniel Brant«, antwortete Daniel laut und bestimmt. »Zwillingsbruder von Max.«
    »Genau.«
    Gisela Obermann blickte triumphierend in die Runde am Tisch. Der Mann neben Doktor Fischer lächelte vorsichtig. Er war der Einzige im Raum, der einen weißen Kittel trug. Und der Einzige mit dunkler Haut. Indische Herkunft, riet Daniel. Jemand hob einen Stift und wollte schon zu einem Kommentar ansetzen, aber Gisela Obermann hatte sich bereits wieder an Daniel gewandt:
    »Du bist in den letzten Tagen sehr unruhig gewesen. Du hast die Hostessen gebeten, dir ein Taxi zu rufen, weil du Himmelstal verlassen wolltest. Stimmt das?«
    »Mein Besuch ist vorbei. Natürlich will ich Himmelstal verlassen«, sagte Daniel

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