Hinter der Nacht (German Edition)
das waren…
zwei Typen, ganz in schwarz. Und dann…“ Die Erinnerung kam schrittweise,
während ich sprach. Es war, als würde ein Film in Zeitlupe hinter meiner Stirn
abgespult, dessen Ende ich noch nicht kannte. „Da war ein Motorrad. Ich war
gefesselt. In so einem Beiwagen. Sie sind gefahren, da war Feuer am Himmel…
Dann haben sie mich rausgeholt…“ Ich spürte, wie mein Herz heftiger schlug, als
wüsste es mehr als ich. Irgendetwas Schreckliches war geschehen. Etwas, was ich
nicht wissen wollte. Und erst recht nicht erzählen.
Aber die
Polizisten ließen mir keine Ruhe. „Wo war das? Haben Sie etwas erkannt?“
„Am - Meer. Da
waren Klippen.“ Ich schauderte. „Sie waren sehr hoch.“
„Was haben sie
dann gemacht? Diese Typen?“
„Es waren ein
Mann – und eine Frau.“ Wieder ein Stückchen Erinnerung. „Ihre Stimme kam mir
bekannt vor, aber ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. Es war zu dunkel.“
„Und weiter?“
Der Mann war ungeduldig. Aber ich wollte nicht weitererzählen. Mich nicht
weiter erinnern. Ich schloss die Augen und ließ mich zurück ins Bett sinken.
Auf einmal hatte ich schreckliche Kopfschmerzen. Wenn sie doch nur gehen
würden.
„Bitte,
Clarissa!“ Ihre Stimme war sanft. „Ich weiß, dass es schwer für Sie sein muss,
aber es ist wirklich sehr wichtig! Bitte helfen Sie uns! Für sich! Und für
Arik!“
„Arik!“ Der Name
sandte einen elektrischen Schlag durch meinen ganzen Körper, und ich richtete
mich wieder kerzengerade auf. „Sie haben auf Arik gewartet!“ Auch die beiden
Polizisten schienen auf einmal doppelt aufmerksam. „Und er… Oh… Nein! Arik!
Nein!“ Mein Schrei ging mir durch Mark und Bein, aber ich konnte ihn nicht
zurückhalten. Denn plötzlich wusste ich wieder, was geschehen war. Und warum
ich es unbedingt hatte vergessen wollen. „Sie haben ihn umgebracht!“, wimmerte
ich. Der Schmerz, der mich durchfuhr, war tausendmal stärker als vorher. „Sie
haben Arik umgebracht! Er ist tot!“ Ich schluchzte und wimmerte, während alles
in einem wirbelnden Strudel aus Feuer und Dunkelheit versank.
„Psst, Clarissa!
Liebes! Komm doch zu dir!“ Erst nach und nach drangen die Worte und die
beruhigende Stimme zu mir durch, die mir zeigte, dass Amanda aufgewacht war.
Doch es dauerte noch eine geraume Weile, bis ich wieder einigermaßen
zusammenhängend denken konnte. Und dann hätte ich am liebsten alles wieder
vergessen, denn die Wahrheit war unerträglich. Arik war tot! Er war gekommen,
um mich zu retten, und meine Entführer hatten ihn umgebracht! Und ich würde ihn
niemals wiedersehen!
Ich weinte, bis
ich keine Tränen mehr hatte. Zwischendurch spürte ich ab und zu die sanfte Hand
meiner Mutter auf meiner Stirn und hörte Schritte und besorgte Stimmen, doch
all das interessierte mich nicht. Es gab nichts mehr, was wichtig war. Nur das
eine, fürchterliche, unvorstellbare: Arik. War. Tot.
Trauer
Clarissa
Die nächsten
Tage verschwammen in einem Meer aus Finsternis. Arik war tot. Und ich war
schuld. Er war meinetwegen gestorben. Und ich wünschte, ich wäre es auch. Wenn
ich nicht schlief, grübelte ich, wenn ich nicht grübelte, trauerte ich. Meine
äußerlichen Verletzungen heilten langsam, aber innerlich fühlte ich mich so
wund wie nie zuvor. Ein unbändiger Schmerz tobte in meinen Eingeweiden, und es
gab nichts, was ihn stillen konnte. Ich merkte, dass Amanda sich große Sorgen machte,
aber auch das riss mich nicht aus meinem Elend. Sie gab sich alle Mühe, mich
abzulenken, indem sie mir Belanglosigkeiten erzählte, Geschenke machte, Bücher
und Süßigkeiten mitbrachte. Aber egal, was sie tat, es prallte an mir ab, ohne
dass es mich wirklich erreichte. In meinem Innern war kein Fünkchen Licht mehr.
Nur schwarzer, undurchdringlicher Schmerz.
Die beiden
Kriminalbeamten kamen noch ein paar Mal und quetschten alles aus mir heraus,
was ich wusste, aber es half ihnen kein Stück weiter. Ich hatte auch nichts
dergleichen erwartet. Am meisten interessierte sie die Frau, meine Entführerin,
deren Stimme mir bekannt vorgekommen war. Aber je länger ich darüber
nachdachte, desto unsicherer wurde ich. Kannte ich sie wirklich? Oder ähnelte
sie einfach nur irgendeiner Stimme, die ich mal gehört hatte? Denn wer von
meinen Bekannten hätte schon einen Grund, Arik umzubringen? Andererseits: Wer überhaupt könnte dafür einen Grund haben? Wenn ich an dieser Stelle meiner Grübeleien
angelangt war, war ich für längere Zeit zu keinem klaren
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