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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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man wüsste nichts von seiner Vergangenheit, das Armenwesen aufbauen. Aber dieser Mönch war in der Mordnacht am Siel. Er spielt sich als Beschützer des Irren auf, der bei der Hebamme Unterschlupf gefunden hat. Was auch immer sie an dem Narren findet.« Hinrich biss in das Stück Brot. Er verstummte einen Moment, als er merkte, dass seine Gefühle ihn zu übermannen drohten. »Aber verdammt, Cornicius! Ich kann nicht mit einem Mann arbeiten, dessen Gesinnung die katholische Kirche ist, die ich unter Einsatz meines armseligen Lebens bekämpft habe und deretwegen ich Münster verlassen musste. Und ich kann auch nicht mit einem Mann arbeiten, der vielleicht ein Mörder ist.«
    Jacobus Cornicius brach ebenfalls ein Stück Brot ab und schob es sich in den Mund. »Bloß weil er am Siel war, muss er ja nichts damit zu tun haben. Er ist ein guter Freund Valkensteyns, den ich, genau wie Ihr, sehr schätze. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich so arg in einem Menschen täuschen kann.«
    »Ich hoffe, Ihr irrt an dieser Stelle nicht!«
    Mittlerweile war auch Elske wieder eingetreten. Sie hatte den Männern eine Weile still gelauscht, denn sie war kein Weib, das sich um deren Angelegenheiten kümmerte. Doch nun machte sie den Mund auf. »Ich mische mich ja nie ein, das weißt du. Aber ich habe es dir vor deiner Abreise schon gesagt, Hinrich. Hier gibt es einen Fremden, einen Unbekannten, der vor allem nachts um die Häuser schleicht. Er humpelt leicht. Ich glaube, du solltest deine Augen mal nach ihm offen halten.«
    Hiske fror, hatte Hunger. Es war gespenstisch still in ihrem Verlies, sodass sie über das Fiepen und Rascheln der Ratten fast dankbar war. Es vermittelte ihr ein bisschen das Gefühl, nicht ganz allein zu sein. Kam ihr aber eines der Tiere zu nahe oder huschte es mit den kleinen kralligen Füßen über ihre nackten Beine, zuckte Hiske doch zurück und verwünschte ihre Situation. Hatte der Scharfrichter sie hier ihrem Schicksal überlassen? Hiske sah sich verdursten, tot in den Schellen liegen. Vielleicht würde man ihren Körper nie finden, weil ihre Knochen zuvor zu Staub zerfallen waren. »Er wird wiederkommen, denn er ist noch nicht fertig mit dir«, flüsterte sie. Er würde sich nicht mit dem zufriedengeben, was er erreicht hatte. Seine Vernichtung hatte größere, grausamere Ausmaße. Vermutlich so groß, dass Hiskes Fantasie nicht ausreichte. Sie bemühte sich, ihre Gedanken schweifen zu lassen, doch es gelang ihr kaum. Ob Jan den Wortsammler gefunden hatte? In den letzten Stunden war Hiske nicht mehr sicher, ob sie die Herrlichkeit tatsächlich verlassen wollte. Ob es nicht lohnte, sich anzuhören, was Jan zu sagen hatte. Über Lieke, über seine Liebe zu ihr. Hiske sehnte sich mit jeder Faser ihres Herzens danach, ihn noch einmal zu sehen und seiner warmen Stimme zu lauschen. Sie hatte voreilig gehandelt, entgegen ihrer sonstigen Art. Sie war ein geduldiger Mensch, hörte immer genau hin und achtete stets auf Zwischentöne. Warum gelang es ihr bei Jan nicht? Sie kannte die Antwort. Weil sie für ihn Gefühle empfand, die ihr fremd waren und die ihr Angst machten. Gefühle, die ihr Denken in andere Bahnen lenkte. Sie sehnte sich auf der einen Seite so sehr danach, dass es schmerzte, auf der anderen wollte sie diese Gefühle aber genau deswegen nicht zulassen. Sie war zu oft verletzt worden und konnte den Gedanken nicht ertragen, dass es wieder geschah. Daher hatte sie beschlossen, besser ganz zu verzichten. Dabei war nun alles um vieles schlimmer.
    »Ich weine. Seit langer Zeit ist es mir möglich zu weinen«, sagte Hiske zu sich, denn der Knebel verhinderte, dass sie es laut aussprechen konnte. Sie wischte sich die Tränen mit dem Unterarm von der Wange, weil das Spiel der Ketten für die Hand nicht reichte.
    Eine Ratte fiepte, und als Hiske ihre Augen in die Richtung schweifen ließ, sah sie, dass es zwei waren, die sich um den Rest ihrer Mahlzeit stritten, die der Scharfrichter mit dem Fuß weggetreten hatte. Ihr seid wenigstens frei, auch wenn ihr ein Dasein in der Unterwelt fristen müsst, weil man euch nicht schätzt. Wir spüren eure Anwesenheit, nehmen sie aber nicht zur Kenntnis. Wir tun so, als gäbe es euch nicht. Genauso, wie es mit dem Scharfrichter gewesen ist, denn er wird niemandem aufgefallen sein. Nun kann er sein Unwesen treiben, und keiner kommt ihm auf die Schliche.
    Es klapperte, dann verdrängte das Licht einer Fackel die Dämmerung. Hiske kniff die Augen zusammen.
    »Hast

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