HISTORICAL BAND 295
Sinn kamen, jedoch herunter, da er sie nur zum Anlass genommen hätte, sie weiter zu züchtigen.
„Du gehst nirgendwohin“, sagte er schließlich. „Du gehörst jetzt mir, und was mir gehört, darauf passe ich auf.“
Wutschnaubend vergaß sie angesichts dieser maßlosen Arroganz ihren eben gefassten Vorsatz. „Ich werde Euch niemals gehören, Wikingerabschaum!“
Das war ein Fehler gewesen. Etliche Male sauste die Hand auf ihre Kehrseite herab, noch härter als zuvor. Elgiva schnappte nach Luft.
„Bist du fertig?“, fragte er. „Ich könnte noch lange so weitermachen. Und du?“
Ihr lagen noch viele Schmähungen auf der Zunge, seine Geburt, seine Familie und sein Schicksal nach dem Tod betreffend, aber sie zwang sich dazu, den Mund zu halten. Stattdessen schnaubte sie nur wütend.
Wulfrum grinste amüsiert und ließ sein Pferd wieder antraben. Gemächlich trottete es zurück in Richtung Ravenswood, während Elgiva der fürchterliche Verdacht beschlich, dass Wulfrums Strafe für ihren Fluchtversuch noch nicht vorüber war.
Für den Rückweg ließ sich Wulfrum viel Zeit, um den unbändigen Zorn seiner Gefangenen, ihre unbequeme Lage sowie ihr Gefühl der Hilflosigkeit noch zu steigern. Er war auf dem Rückweg vom Lager seiner Landsleute gewesen, als er jemanden über das Gelände in Richtung Wald laufen sah. Ihm war sofort klar gewesen, wer da einen Fluchtversuch unternahm, und er wollte sie auf keinen Fall entkommen lassen. Dass sie es überhaupt so weit geschafft hatte, dafür würden ihm die Wachen noch gehörig Rede und Antwort stehen müssen. Was Elgiva anging, würde sie bald begreifen, dass es sich nicht lohnte, sich ihm zu widersetzen. Im Moment kochte sie vor Wut über die Demütigung. Er hatte nur mit Mühe der Versuchung widerstehen können, mit aller Kraft zuzuschlagen und ihr die Tracht Prügel zu verabreichen, die sie verdient hatte, und so war sie noch vergleichsweise glimpflich davongekommen. Trotzdem würde sie es sich bei nächster Gelegenheit sicher gründlich überlegen, ob sie sich noch einmal seinen Zorn zuziehen sollte. So wie alle Angelsachsen musste auch sie lernen, dass Rebellion einen teuer zu stehen kam.
Deshalb ließ er Elgiva bäuchlings auf dem Sattel liegen, bis sie den Wohnturm erreicht hatten. Falls sie erwartet hatte, er würde sie nun vom Pferd rutschen lassen, damit sie schnell ins Gebäude verschwinden konnte, musste sie jetzt ihren Irrtum einsehen. Denn er saß zunächst ab, dann zerrte er sie vom Sattel, klemmte sie sich unter einen Arm und trug sie nach drinnen, um so noch einmal seine überlegene Stärke zu demonstrieren.
Als er sie schließlich im Frauengemach absetzte, war sie außer Atem, ihr Gesicht war gerötet, und sie wirkte herrlich zerzaust, da sich in der Zwischenzeit ihr langer Zopf gelöst hatte und die Haare ihr in wilden Locken über die Schultern fielen.
Wutentbrannt funkelte Elgiva ihn an und wünschte sich wahrscheinlich, sie hätte noch ihr Schwert, um ihm seine Behandlung heimzahlen zu können. Aber er war größer als sie – und viel stärker, wie er sie soeben auf schmerzhafte Weise hatte spüren lassen. Vielleicht dachte sie ja darüber nach, welche Bestrafungen er womöglich noch ergreifen würde, wenn sie ihn weiter ärgerte. Immerhin wusste sie, dass nur ein paar Schritt von ihnen beiden entfernt ein Bett an der Wand stand.
Es war nicht allzu schwer, ihre Gedanken zu erraten, aber ihr Trotz ärgerte ihn nicht, sondern brachte ihn vielmehr zum Lächeln. Wütend war sie tatsächlich noch viel schöner, wenn ihre faszinierenden Augen vor Streitlust funkelten. Er fühlte sich versucht, sie in seine Arme zu ziehen und noch einmal zu küssen, doch er vermutete, wenn er sich dazu hinreißen ließ, würde es für ihn kein Zurück mehr geben. Es war besser, wenn sie über das nachdachte, was soeben geschehen war, damit sie begriff, wie sinnlos ein Fluchtversuch war. Außerdem hatte er keine Eile. Er konnte warten.
Für die Dauer mehrerer Herzschläge standen sie sich nur gegenüber und sahen sich an. Dann hörte er sie erleichtert aufatmen, als er sich umdrehte und zur Tür ging, dort aber noch einmal innehielt.
„Du bleibst in diesem Gemach, bis ich dir erlaube, es zu verlassen. Von nun an wird Tag und Nacht eine Wache vor der Tür stehen.“
Dann verließ er den Raum. Elgiva schwankte und musste sich gegen die Wand sinken lassen. Ihr Herz raste, während sie hörte, wie Wulfrums Schritte allmählich leiser wurden.
4. KAPITEL
In den
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