Historical Weihnachtsband 1991
bis er eine andere Bleibe gefunden hat."
„Ich wäre Ihnen unsäglich dankbar, Madam", sagte Keenan leise und schaute dabei unentwegt Cecilia an. „Mir ist, als wäre ich im Himmel."
„Meine Schwester und ich können uns abwechselnd um ihn kümmern", schlug Cecilica unerwartet resolut vor. „Wir können ihm vorlesen."
„Ich bin nicht krank", rechtfertigte sich Keenan. „Es war bloß so schrecklich kalt.
Sobald ich mich ein bißchen aufgewärmt habe, bin ich ganz in Ordnung."
„Warum haben Sie Ihre letzte Wohnung verloren?" mischte sich nun Mr. Hart mit strenger Miene ins Gespräch. „Sind Sie etwa ein Unruhestifter, mein Guter?" Sein Unwillen war nicht zu überhören.
„Ganz und gar nicht, Sir. Aber das Stück, in dem ich spielte, wurde vorzeitig abgesetzt, und mir ging das Geld aus. Das ist alles."
„Und Sie sind wirklich Schauspieler?" rief Cecilica hingerissen. „Ich habe noch nie einen Schauspieler gekannt."
„Ich habe auch an keinem großen Theater gespielt. Wir waren auf dem Land auf Tournee." Er lächelte wehmütig. „Und es war kein weltbewegendes Stück. Wir konnten es nur dreimal spielen." Sein Lächeln erstarb, bitter setzte er hinzu: „Das Stück ist durchgefallen. Da ich für keine andere Rolle vorgesehen war, verließ ich die Truppe und wollte versuchen, in der meines Freundes unterzukommen."
Angelica seufzte leise. Sie hatte sich also noch einen zusätzlichen Hausgenossen aufgehalst, der keinen Penny in der Tasche hatte. „Ich nehme nicht an, daß Sie den Beruf wechseln und sich eine andere Stellung suchen werden, Mr. Keenan."
Er schüttelte den Kopf. „Zum Schauspieler ist man geboren, Madam, und bleibt ein Leben lang einer. Eines Tages werde ich sehr berühmt sein."
Wieder seufzte Angelica. „Gut, für den Augenblick können Sie bei uns bleiben."
Mr. Hart und Quinton stiegen daraufhin auf den Dachboden und holten das Bett herunter. Die Schwestern Neville halfen Angelica inzwischen, das Tischchen unter das Fenster zu schieben, um in der Ecke Platz zu gewinnen.
„Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen danken kann", sagte Jerome Keenan zögernd.
In seiner Stimme schwang tiefe Bewegtheit mit. „Mich als halb erfrorenen Fremdling einfach hier aufzunehmen, obwohl ich nicht bezahlen kann, das hätte sonst kaum jemand getan."
Angelica lächelte ihm aufmunternd zu. „Wenn Sie eines Tages, sobald es Ihnen wieder gutgeht, einem anderen Menschen helfen, bin ich reichlich belohnt."
Blanche Hart, die sich vorstellen konnte, was es brauchte, ein Haus dieser Größe instandzuhalten, trat heran. „Sind Sie sicher, daß Sie es schaffen, noch einen hungrigen Magen unentgeldlich zu füllen? junge Männer haben einen ausgezeichneten Appetit, und dieser Mr. Keenan scheint mir ziemlich ausgehungert."
Angelica nickte. Einer mehr oder weniger würde auch noch satt werden. Immerhin war Weihnachten ein Fest der Liebe. „Ich habe schon Schwierigeres gemeistert, es wird auch diesmal gehen. Ich habe einen guten Hausgeist." Es war ihr längst aufgefallen, daß Cecilia und der junge Schauspieler bloß Augen füreinander hatten.
So konnte sie nur hoffen, sich nicht den Fuchs in den Hühnerstall geholt zu haben.
★
Angelica war gerade vom Mittagstisch aufgestanden, als es an der Haustür klopfte.
Peggy war noch dabei abzudecken, und Angelica ging selbst zum Offnen in der Hoffnung, es wäre dieser Mr. Lamont. Draußen stand allerdings Matthew Thornton.
Auf der Straße stampften die Pferde der Addams vor einem leichten Schlitten.
„Ich komme, Sie zu einer Ausfahrt abzuholen", sagte Matthew.
„Jetzt? Ich habe mich für heute nicht mit Phoebe verabredet."
„Ich weiß. Sie haben jede Einladung ausgeschlagen. Darum bin ich unangemeldet gekommen."
„Aber ich habe schrecklich viel zu tun", setzte sich Angelica zur Wehr. Dennoch konnte sie nicht umhin festzustellen, daß Matthews schwarzer Mantel nur eine Kleinigkeit dunkler war als das Haar und die Sonne bernsteinfarbene Lichter in die braunen Augen zauberte.
„Ich bin entschlossen, nicht von der Stelle zu weichen, bevor Sie zugestimmt haben."
„Hat sich denn halb London verschworen, sich auf meiner Schwelle zu Eis frieren zu lassen? Gut, gut, ich hole mir bloß die Pelerine."
Angelica nahm sich vor, ihre Gefühle eisern im Zaum zu halten. Matthew Thornton war ein alter Freund der Familie, und als solchem konnte sie ihm nicht ein Leben lang aus dem Wege gehen. Sie mußte sich eben daran gewöhnen, daß es zwischen ihr und ihm außer
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