Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
Sie das bloß nicht!«, warnte er. »Nicht in diesem Haus!«
    »Hey, Jack«, begrüßte Charlie den Besucher und winkte. »Was ist los?«
    »Eine Menge. Gia war bei Tara Portmans Vater.«
    »Allein?«, fragte Lyle.
    »Ohne mir Bescheid zu sagen.«
    »Das Mädchen hat Mut«, sagte Charlie. »Hat sie was rausbekommen?«
    Jack lieferte ihnen eine kurze Zusammenfassung dessen, was Joe Portman Gia erzählt hatte.
    »Also«, sagte Lyle langsam, »die Reitkleidung, die sie trug, als Gia sie sah, gleicht den Sachen, die sie anhatte, als sie gekidnappt wurde.«
    »Lass dich nicht zum Narren halten«, sagte Charlie. »Das ist nicht Tara Portman.«
    Lyle verdrehte die Augen. »Nicht das schon wieder.«
    »Wenn du nicht auf mich hören willst, vielleicht tut Jack es. Sie hatten doch auch Ihre Zweifel, nicht wahr, Jack?«
    »Ja, aber …« In was war er hier hineingeraten?
    »Ich habe mit meinem Priester gesprochen, und er sagt, es gibt keine Gespenster, sondern nur Dämonen, die als Gespenster auftreten, um die Gläubigen von Gott abtrünnig zu machen.«
    »Da besteht in meinem Fall keine Gefahr«, sagte Lyle. »Ich gehöre nicht zu den Gläubigen.«
    »Das liegt nur daran, dass du an gar nichts glaubst«, meinte Charlie hitzig. »Das Einzige, woran du glaubst, ist dein Unglaube. Unglaube ist deine Religion.«
    »Vielleicht ist es so. Ich kann nichts dafür. Ich bin eben als Skeptiker zur Welt gekommen.« Er sah seinen Bruder an. »Ich frage dich eins: Ist das fair? Wenn Gott mich mit einer gewissen Skepsis ausstattet und du jemand bist, der eher alles annimmt, was er sieht und hört, dann bist du ein Gläubiger und ich nicht. Wenn Glauben eine Garantie auf ewige Seligkeit ist, dann bin ich eindeutig gehandikapt. Gott hat mir einen Geist mitgegeben, der fähig ist, Fragen zu stellen. Heißt das jetzt, dass ich verdammt bin, wenn ich ihn benutze?«
    Charlies dunkle Augen blickten traurig. »Du musst dein Herz Jesus schenken, Bruder. ›Alle, die an ihn glauben, sollen nicht verloren werden, sondern das ewige Leben erhalten‹.«
    »Aber das kann ich nicht. Das ist der Punkt. Ich bin jemand, der wissen muss. Ich habe mir nicht ausgesucht, so zu sein, aber so ist es nun mal. Ich bin einfach nicht fähig, meine ganze Existenz auf etwas auszurichten, das auf reinem Glauben basiert, auf den Worten von Menschen, die ich nie kennen gelernt habe, Menschen, die seit Tausenden von Jahren tot sind. So kann ich nicht leben. Das ist nicht mein Ding.« Er zuckte die Achseln. »Verdammt, ich bin noch nicht einmal sicher, ob ich überhaupt an die Existenz dieses Geistes glaube.«
    »Moment mal«, schaltete sich Jack ein. »Was soll das heißen, Sie glauben nicht an diesen Geist? Warum nehmen Sie dann Ihren Keller auseinander?«
    Lyle zuckte die Achseln. »Ich befinde mich in einem Zwiespalt. Bestimmte Aspekte dieser Situation passen nicht ins Bild.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Nun, dieser Song zum Beispiel. Ich habe so etwas wie ein kleines Mädchen ein Lied singen hören. Aber kann ein Geist, ein Gespenst singen? Oder reden?«
    »Wenn es Spiegel zertrümmern und in den Staub schreiben kann, warum soll es dann nicht singen und reden können?«
    »Es hat keine Stimmbänder und keine Lunge, um Luft auszustoßen. Also – wie kann es einen Laut erzeugen?«
    Jack glaubte, die Antwort zu kennen. »Soweit ich weiß, ist ein Laut nicht mehr als schwingende Luft. Wenn dieses Ding einen Spiegel zerschlagen kann, dann sollte es meiner Meinung nach auch fähig sein, Luft zum Schwingen zu bringen.«
    Lyle nickte grinsend. Er nickte Charlie zu. »Siehst du? Das ist es, was ich brauche. Eine Erklärung, an der ich mich festhalten kann. Nicht nur den Satz: ›Es ist Gottes Wille.‹ Das hat keine Bedeutung für mich.«
    »Aber die wird es bekommen, Bruder«, sagte Charlie. »Wenn die Posaunen des Jüngsten Gerichts erklingen, dann wird es geschehen.«
    »Glaubst du.«
    »Ich weiß es, Lyle.«
    »Genau das ist der Punkt: Du weißt es nicht. Und ich auch nicht. Keiner von uns wird es wissen, ehe wir sterben.«
    Das wurde hier ein wenig zu philosophisch. Jack ging hinüber zu den freigelegten Granitblöcken und strich mit einer Hand über deren Oberfläche. Kalt. Und feucht. Er zog die Hand weg. Für einen kurzen Augenblick war es ihm so vorgekommen, als hätte die Oberfläche unter seiner Berührung nachgegeben. Er betrachtete seine Hand, dann den Stein. Nichts hatte sich verändert. Er versuchte es erneut – und hatte die gleiche seltsame Empfindung als winde

Weitere Kostenlose Bücher