Höchstgebot
ihr dabei zusah, betrat Jean Debriek den Raum. Er schloss die Tür hinter sich.
»Ich hoffe, ich störe nicht.« Er lächelte charmant und zog sich einen Hocker heran.
»Natürlich nicht«, antwortete Robert. Es kostete ihn große Überwindung, freundlich zu sein.
»Ich dachte, ich schaue mal, was der Patient macht. Geht es voran?«
»Wir verbinden jetzt die Leinwand mit dem Randstück. Dank der intensiven Mitarbeit von Mevrouw van Berg könnten wir schon in anderthalb Wochen fertig sein.«
»Und die Vorderseite?«, fragte Debriek.
»Die Bildschicht ist so weit gesichert. Wir werden nach dem Aufspannen auf den Keilrahmen aber sicher noch einmal nachfestigen müssen«, übernahm Anouk.
»Allerdings sind an drei Stellen Schollen der Originalfarbe abgeplatzt und leider unauffindbar«, ergänzte Robert, gespannt, wie Debriek auf diese Information reagieren würde.
»Haben Sie mal bei der Polizei nachgefragt?«
»Wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um Ihnen ein vollständiges Bild übergeben zu können.« So, wie Anouk das betonte, hätte Robert sich nicht gewundert, wenn sie dabei auch noch die Hand zum Schwur gehoben hätte. Einen Tick zu übertrieben, dachte er. Hoffentlich hatte Debriek schon mitbekommen, dass Anouk einen gewaltigen Hang zur Dramatik hatte.
»Dafür habe ich Sie engagiert, nicht wahr?«, sagte Debriek und sah Anouk prüfend an.
»Und gerade, weil ich Sie beide für so vertrauenswürdig halte, möchte ich ganz offen sein. Auf dem Gemälde oder auf einem der Farbstücke, die Sie vermissen, befindet sich ein kleiner Punkt mit einer Reihe von Zahlen. Wir sollten uns darauf verständigen, dass es eine Art mathematisches Spiel ist, das die ehemalige Eigentümerin des Bildes und ich seit einiger Zeit spielen. Mir liegt sehr viel daran, dass wir dieses Spiel fortsetzen können.«
Robert war kurz sprachlos ob der Chuzpe, mit der Debriek ihnen deutlich machte, wie egal es ihm war, dass sie seine Erklärung sofort als fadenscheinige Lüge durchschauen würden. »Wir haben leider bisher nichts derartiges gefunden«, sagte er.
»Sehr schade.« Debriek stand auf und trug den Hocker an seinen alten Platz zurück. Dann kehrte er noch einmal zurück. »Wie gesagt, es wäre mir sehr wichtig. Ich würde dem Finder eine angemessene Belohnung zahlen.«
»Wie viel?«, fragte Anouk mit einem vieldeutigen Lächeln, das Robert ganz nervös machte.
»Hunderttausend Euro?« Debriek lächelte zurück.
»Wie gesagt, wir haben nichts gefunden«, antwortete Robert.
»Aber wir suchen jetzt noch einmal ganz gezielt danach«, versprach Anouk.
»Sie wissen ja, wo Sie mich finden.« An der Tür wandte er sich ein letztes Mal um. »Meine Mitarbeiter in der Sicherheitsabteilung behaupten immer, ich wäre zu gutgläubig. Na ja, es ist ihr Job. Jedenfalls habe ich versprochen, zu erwähnen, dass es nicht zuträglich wäre, wenn jemand von unserem kleinen Gespräch erfahren würde. Aber das hätte ich Ihnen nicht eigens sagen müssen, oder?« Er hob grüßend die Hand und verschwand.
»Was soll dieser Mist? ›Wir suchen noch mal …‹«, fragte Robert wütend, nachdem er kontrolliert hatte, ob Debriek auch wirklich die Etage verlassen hatte.
»Sei nicht so empfindlich, mein Herz. Ich wollte ihn doch nur mal sabbern sehen.«
»Er muss ganz schön unter Druck stehen, wenn er sich so weit vorwagt«, dachte Robert laut und merkte, wie sich aus diesem eigenartigen Besuch der erste Ansatz eines Plans entwickelte.
Im Aachener Polizeipräsidium musste Katja zur selben Zeit einige spitze Bemerkungen über die Luxusmethoden des LKA einstecken, während das Vernehmungszimmer technisch so ausgestattet wurde, wie Micky es skizziert hatte.
Micky durfte als Privatermittlerin natürlich nicht direkt am Verhör teilnehmen. Aber während der Suche nach dem niederrheinischen Kunst-Serienmörder, bei der sie sich damals kennengelernt hatten, hatte Katja erlebt, wie sich die niederländische Polizei von Psychologen wie Micky unterstützen ließ. Vom Regieraum nebenan verfolgten sie die Vernehmung über mehrere Kameras und schickten über einen Laptop Hinweise zur weiteren Gesprächsführung. Wo Micky nun schon einmal da war, hatte Katja sie kurzerhand als psychologische Beraterin engagiert.
Kurz vor dem Verhör testete Micky im Nebenzimmer noch einmal die Übertragung zwischen ihrem und Katjas Computer.
Dann wurde Ingrid Roeder von einem Beamten in den Vernehmungsraum geführt. Ihr Anwalt folgte.
Ingrid sah wie ein Geist
Weitere Kostenlose Bücher