Höchstgebot
über dem Toilettenbecken hing, und begriff, dass er in einer Zelle für Drogenkuriere saß.
Nicht lange danach erreichte Hoofdcommissaris Lucas ein Anruf vom Leiter des Regionalen Informationsdienstes. Er informierte ihn, dass auf einer zweiten Leitung Jean Debriek, der Hauptdirektor und Eigentümer der Firma Limbs , wartete. Lucas konnte sich nicht erinnern, jemals etwas mit diesem Debriek zu tun gehabt zu haben, und gab knapp zu verstehen, dass er nun wirklich gerade andere Probleme hätte. Immerhin würde er gleich höchstpersönlich das erste Verhör mit dem Verdächtigen des Zugattentats führen – ein etwas ungewöhnlicher Eingriff in die sonst üblichen Abläufe, aber bei dieser Riesensache wollte er das Heft selbst in der Hand behalten.
»Es ist dringend«, sagte der Dienstleiter.
»Ich geb dich an Molendorp weiter«, bestimmte Lucas. Er verband ihn mit dessen Durchwahlnummer und legte ohne weitere Erklärungen auf.
Dem Commissaris Molendorp konnte Jean Debriek dann berichten, vor wenigen Stunden Opfer eines Überfalls geworden zu sein, bei dem ein 43 Millionen teures Gemälde geraubt worden war. Seitdem habe man vergeblich versucht, die Polizei zu informieren, sei jedoch nicht durchgekommen.
Molendorp begriff den Ernst der Lage sofort und stellte eilig ein provisorisches Ermittlungsteam zusammen, das er zum Parkplatz hinter dem Il-Fiore -Komplex schickte.
Zehn Kilometer weiter wurde in einer Lagerhalle am Bahnübergang die erste Pressekonferenz zu dem Zugunglück abgehalten. Später würde die Veranstaltung bei Polizeiausbildungen als Lehrstück für ›verfrühte Berichterstattung‹ und ›übertriebenen Erfolgseifer‹ herhalten müssen.
Bei der Konferenz verkündete der Pressesprecher der Polizei Limburg Süd, man habe einen Verdächtigen festgenommen, den man für den ›Anschlag‹ verantwortlich mache.
»Der Verdächtige ist mit hoher Geschwindigkeit durch die Stadt gerast und hat auf dem Bloemenweg versucht, mehrere Fußgänger und Radfahrer zu erfassen. Als ihm das nicht gelang, fuhr er auf den Bahnübergang in Höhe des John F. Kennedysingels. Zuerst rammte er mit hohem Tempo seinen Vordermann, dann fuhr er rückwärts und blockierte die Schienen. In dem Moment, als die Katastrophe nicht mehr zu verhindern war, brachte sich der Verdächtige in Sicherheit. Nach dem Unglück mussten drei Personen schwer verletzt ins Krankenhaus transportiert werden, eine davon in besorgniserregendem Zustand. Achtundzwanzig Leichtverletzte wurden unmittelbar am Unglücksort behandelt.«
Nur ein Journalist stellte die kluge Frage, ob man den vermeintlichen Attentäter bereits vernommen habe.
»Jeder, der sachdienliche Hinweise hat, wird gebeten, sich mit uns in Verbindung zu setzen«, lautete die ausweichende Antwort.
Erst einige Zeit danach wurde Robert für ein erstes Verhör aus seiner Zelle in eine gesicherte Abteilung gebracht.
6
Verdammt. Da brannten sie vor Eifer, diese besserwisserischen Sesselfurzer, wenn sie glaubten, dir endlich zeigen zu können, wie naiv du gewesen bist, woran du mal lieber vorher hättest denken sollen, dass dir das als intelligentem Menschen doch sofort hätte klar sein müssen. Und sie hatten dich ja gewarnt! Natürlich hatten sie das. Denn wenn alles gut ging, waren ihre Verhinderungsattacken nichts als wohlgemeinte Ratschläge, die zum Erfolg beigetragen hatten. Ging etwas schief, hatten sie es immer schon gewusst. Und ihre ganze oberschlaue Bedenkenträgerei legte sich dann wie klebriger Mehltau über dich und alles, was sich zu bewegen wagte.
Oh, wie hasste Robert diese Leute. Und so kam es, wie es kommen musste. Der Hoofdcommissaris warf ihm vor, er hätte den Transporter nicht verfolgen, sondern die Polizei informieren sollen. »Genau diese Scheiße passiert, wenn sich Amateure wie du einmischen. Einunddreißig Verletzte, und zwei davon kämpfen jetzt auf der Intensivstation um ihr Leben, während du hier gemütlich deinen Kaffee schlürfst. Aber glaube ja nicht, du kämest uns ungeschoren davon, Patati.«
Da hatten zwei Typen einen Mordanschlag auf ihn verübt und dafür Dutzende Tote in Kauf genommen, aber er war schuld? Natürlich hätte es kein Unglück gegeben, wenn er direkt die Polizei gerufen hätte. Denn bis die mal vorbeige schaut hätte, wären die Diebe längst über alle Berge inklusive dieses verdammten Bahnübergangs gewesen. Robert starrte stumm vor sich hin. Wieso verhörte ihn überhaupt ein Hoofdcommissaris? In den Niederlanden war das der
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