Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
sagen sollte. Dass der Traum eines kleinen Mädchens plötzlich bedeuten sollte, dass Leandra gerettet war, kam ihm nicht sehr überzeugend vor.
»Bist du sicher, Cathryn?«, fragte Alina.
Als Victor Alina mit einem Seitenblick maß, stellte er fest, dass sie Cathryns Aussage offenbar ein ganzes Stück mehr Vertrauen entgegenbrachte als er selbst.
Roya war es, die Licht in die Sache brachte. Sie saß auf der anderen Seite neben Victor und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sie ist eine von uns, Victor.«
»Eine von euch?«
Roya nickte. »Eine von uns Schwestern des Windes.
Sie trägt ebenfalls ein Drachenbild auf dem Körper.«
Victor zog überrascht die Brauen hoch.
Hellami wies mit dem Daumen über die Schulter auf das Schwert, das hinter ihr auf dem Tisch lag.
»Kennst du es noch, Victor? Mein Schwert? Wir haben es wieder gefunden.«
Victor zog die Stirn kraus. »Du meinst das Schwert, das Leandra mit deiner…?« Er unterbrach sich, denn es fiel ihm schwer, von Hellamis Seele zu sprechen, die in diesem magischen Schwert stecken sollte.
Hellami nickte, aber ihre Miene zeigte keine Schwermut. »Ja.
Ein Teil von mir steckt in ihm. Es ging damals im Durcheinander unserer Flucht aus dem Palast verloren, als die Drakken kamen.
Ohne Cathryn hätte ich es nie wieder gefunden.«
»So? Wo war es denn?«
»In den Katakomben unter Savalgor. In einem der vielen unterirdischen Seen. Ich habe tief tauchen müssen, bis ich es fand.
Cathryn zeigte mir die Stelle.«
Er deutete auf Cathryn. »Sie hat es gewusst? Aber… woher denn? Sie war doch die ganze Zeit bei Leandra.«
»Stimmt. Glaub mir, ohne Cathryn würde es noch in tausend Jahren dort unten liegen. Einesteils wusste… fühlte sie, dass ich es wiederhaben musste, und andererseits konnte sie spüren, wo es lag. Wir haben die Suche von Malangoor aus begonnen.« Sie sah lächelnd zu Cathryn und drückte das Mädchen an sich. »Seither sind wir unzertrennlich.«
Mehr als eine vage Ahnung hatte Victor nicht, was diese Geschichte bedeuten sollte.
»Cathryn scheint eine besondere Gabe zu entwickeln«, erklärte Munuel, der Victors Verwirrung spürte. »Ich bin noch nicht sicher, aber es scheint, als könnte sie fühlen, was andere fühlen.«
»Was andere von uns fühlen!«, korrigierte Hellami.
»Nicht wahr, Trinchen?«
Cathryn wurde verlegen. Sie hob die Schultern.
»Ich weiß nicht genau. Es ist, als würde ich mich an einen Traum erinnern.«
Munuel nickte. »Kannst du spüren, was mit Azrani und Marina ist? Sie sind weit fort von hier, in Savalgor.«
… und schnüffeln mit Sicherheit wieder in irgendwelchen vergessenen Kellern herum, dachte Victor.
Cathryn sah Munuel lange an, so als dachte sie intensiv nach.
Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Nein… ich…« Doch dann setzte sie wieder ein Lächeln auf. »Es geht ihnen gut«, sagte sie.
An Victor nagten Zweifel und Ungeduld. »Gut?«, fragte er. »So wie Leandra?«
Cathryns Miene trübte sich. »Nein«, antwortete sie. »Ich… ich glaube, Leandra ist in Gefahr.
Aber sie lebt.«
»Wo ist sie denn? Weißt du das?«
Cathryn erschauerte, schloss kurz die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war ihr Blick starr und glasig geworden. »Sie ist…«, stammelte sie, »ganz weit weg.«
»Aber wo, Cathryn? Kannst du es uns nicht zeigen?«
Cathryns Miene wurde traurig, sie schniefte.
Hellami drückte sie enger an sich. »Ich glaube, sie meint, dass Leandra zu weit weg ist. Zu weit, als dass wir sie erreichen könnten.«
Victor konnte seine Enttäuschung kaum verbergen.
»Aber Cathryn kann sie trotzdem spüren? Über eine solche Entfernung?«
»Es ist ein Phänomen der Magie, Victor«, erklärte Munuel ruhig.
»Dieselbe Sache, derentwegen die Drakken die Magie von uns haben wollten. Eine Verbindung, die keine Zeit benötigt und für die der Raum keine Rolle spielt.«
Victor schwieg. Cathryns Geschichte kam ihm allzu vage vor, aber dennoch: sie war besser und hoffnungsvoller als alles, was sie sonst in Händen hatten. Er spürte Alinas Hand, die sich sanft auf seinen Nacken legte und ihm sagte, dass er Cathryns Gefühl vertrauen sollte.
14
Der letzte Schritt
V asquez war mehr als wütend.
Sie fühlte sich gedemütigt und betrogen, und der Anblick dieses lächerlichen Weibsstücks war ihr widerwärtig. Sie konnte nicht begreifen, wie ein erwachsener Mann wie Roscoe, auch wenn er nur ein verlauster Vagabund war, den kindhaften Augen dieser kleinen Schlampe hatte verfallen können. Sie
Weitere Kostenlose Bücher