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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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den Mädchen zweifelnde Blicke zu. Hätte er nicht gewusst, wie sorgfältig sie für gewöhnlich arbeiteten, hätte er ihre Vermutungen in Zweifel gezogen. Phenros – ein Maler? Das war vollständig an ihm vorbeigegangen. »Gut«, sagte er schließlich und breitete die Arme aus. »Vielleicht habt ihr ja Recht mit diesen Bildern. Aber warum soll deswegen die Spur, die wir verfolgt haben, falsch gewesen sein?«
    »Wir glauben«, erklärte Azrani, »dass Phenros sein Rätsel eher in Bildern versteckt hätte als in Gedichten. Er hätte die Sprache der Bilder wenigstens mit einbezogen. Das war seine wahre Leidenschaft.« Sie erhob sich und ging zur Tür, neben der sie beim Hereinkommen eine große, lederne Mappe abgestellt hatte. Sie kniete sich nieder, öffnete eine kleine Schleife und zog aus der Mappe eine Anzahl großformatiger Blätter heraus. »Hier, Hochmeister. Seht Euch das an.« Jockum erhob sich, als Azrani den Packen auf seinen Schreibtisch legte. Auch Munuel kam herbei.
    Staunend betrachtete Jockum die Bilder eines nach dem anderen.
    Viele waren Kohlezeichnungen, manche mit Kreide oder Tinte gemalt, ein paar wenige auch mit Öl. Jedes Einzelne zeugte jedoch unverkennbar von meisterlicher Hand. Wer dies gemalt hatte, verstand sein Handwerk vorzüglich. Munuel brummte leise – ein Laut der Enttäuschung. »Du kannst es nicht sehen?«, fragte Jockum und hielt ein Blatt in die Höhe.
    Munuel schüttelte den Kopf. »Nein. Die Vierecke der Blätter schon, aber nicht das, was auf ihnen ist.«
    »Auch nicht das hier – mit Tinte?« Jockum hielt ihm eines hin, das ein unbekanntes Gesicht zeigte.
    Munuel nahm es und hielt es sich nah vors Gesicht. Verwirrenderweise schloss er dabei die Augen. »Gerade noch so«, erklärte er. »Es ist das Gesicht einer Frau, nicht wahr? Ich kann es im Trivocum kaum erkennen.«
    Jockum nickte verstehend und beschrieb ihm die Motive. »Hier sind Landschaften. Sehr schöne Bildaufteilung... ein knorriger Baum im Vordergrund... eine Herde wilder Mulloohs vor einer Stützpfeiler-Staffette... ein Waldsee mit einem kleinen Wasserfall... sehr hübsch. Ah, eine Stadt... hmm... Savalgor ist das aber nicht. Und noch eine Stadt... nein, eher ein Dorf. Ach, wer weiß schon, was es damals für Städte und Dörfer gab, vor zweitausend Jahren.« Auf diese Weise erklärte er Munuel die Motive der etwa zwanzig Bilder und Zeichnungen, die Azrani ihm gegeben hatte.
    Schließlich hatte er das Letzte beschrieben und legte es auf den Packen zurück. Munuel seufzte und setzte sich wieder auf seinen Polsterstuhl.
    »Schön und gut Kinder«, sagte der Primas väterlich und mit einem wohlwollenden Lächeln. »Wer das hier gemalt hat, der hat sein Handwerk verstanden. Nehmen wir einmal an, dass es Phenros war. Ich verstehe immer noch nicht, warum das unsere Reise nach Chjant infrage stellt.«
    »Die Texte führten ganz offensichtlich ins Nichts, Hochmeister«, erklärte Marina, die nun aufstand und sich neben Azrani stellte.
    »Ihr habt uns beschrieben, was ihr dort in Chjant vorgefunden habt, im diesem Tal der tanzenden Steine.« Sie hob einen der Zettel, die sie die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte.
    »Euer Gedicht spricht zwar von einem solchen Ort, aber die letzten beiden Zeilen enthalten unserer Ansicht nach einen wichtigen Hinweis.« Sie las vor:
    »... das Bild der Natur und der Welt zu verstehn, und nicht sich selbst im Wege zu stehn.«
    Munuel deutete zu Jockum. »Da hast du's!« sagte er. »Das habe ich dir damals schon gesagt!« Jockum hob abwehrend beide Hände. »Langsam! Ich kenne diese beiden Zeilen und habe mir ausreichend Gedanken darüber gemacht. Was beweisen sie schon? Ich...«
    »Es gibt ein Bild von Phenros, das Natur und Welt heißt«, sagte Azrani.
    Der Primas starrte sie verblüfft an. »Was?« Munuel hatte sich aufgerichtet. »Ein Bild?«
    »Ja. Leider haben wir es noch nicht finden können. Aber wir haben eine Art Bilderverzeichnis, eine Liste.« Marina stand auf, trat zu Jockum und zeigte ihm eines der Blätter. »Es handelt sich um die alte Gildenschrift – aber dies hier heißt doch Natur und Welt, oder?« Sie deutete auf eine Stelle in der Liste.
    Jockum betrachtete das Papier. Es war alt, brüchig und gelblichbraun verfärbt. Wie die meisten dieser Schriftstücke war es jedoch magisch versiegelt und haltbar gemacht – eine Kunst, die man in Magierkreisen schon seit Jahrtausenden pflegte. Er studierte die Zeilen, in denen eine sorgfältige Hand säuberliche

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