HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
war überzeugt, dass dies einer der großen Vorteile des kleinen Anwesens war, das er von seiner Mutter geerbt hatte. Es würde keinen Klatsch geben – und nur wenige gesellschaftliche Kontakte. Sie hätten Zeit, sich an die Ehe zu gewöhnen. Und eines Tages würden sie vielleicht ein Kind haben, einen kräftigen kleinen Kerl wie Dickon …
Richard räusperte sich hörbar.
Hugo kehrte zurück in die Gegenwart. „Ich habe keineswegs die Absicht, meine Gemahlin zu isolieren, weißt du“, sagte er. „Wir werden oft hierherkommen, um ihren Vater zu besuchen. Und euch natürlich.“
„Ich bin froh, das zu hören“, erwiderte Richard mit schiefem Lächeln. „Alles andere würde Jamie keinem von uns je verzeihen. Wenigstens werdet ihr beide morgen zu Dickons Geburtstag hier sein. Jamie plant ein Fest auf dem Rasen, und dabei spielt Emma als Patin eine wichtige Rolle. Vor allem, weil von Dickons Patenonkeln keiner dabei sein wird. Vielleicht möchtest du für sie einspringen?“
Hugo verbeugte sich lächelnd. „Es wäre mir eine Ehre.“ Er warf einen Blick zum Himmel hinauf. „Lady Hardinges Pläne könnten allerdings vom Wetter durchkreuzt werden. Ich fürchte fast, es wird ein Gewitter geben.“
Kaum hatte er ausgesprochen, als fernes Donnergrollen zu hören war. Innerhalb weniger Minuten waren drohende Wolken am Himmel aufgezogen, und obwohl die Fenster offen standen, war es heiß und stickig. Emmas Vater und ihre Tante würden zeitig aufbrechen müssen, wenn ein Unwetter drohte. Das wäre schade. Und auch Dickons Geburtstag könnte verdorben werden.
Hugo erwog zu erwähnen, dass Dickon und er am selben Tag Geburtstag hatten, doch dann entschied er sich dagegen. Nach all den Jahren hatte Richard dieses Datum offensichtlich vergessen. Es wäre ihm sicher entsetzlich peinlich, daran erinnert zu werden. Hugo würde nichts sagen. Dies war sein großer Tag – seiner und Emmas. Der morgige sollte ganz allein dem Kind gehören.
An die Nacht, die dazwischen lag, wollte er lieber nicht denken.
15. KAPITEL
Emma zog die Bettdecke noch einmal glatt und schob sie so straff wie möglich unter ihren Körper. Eigentlich war es zu heiß für eine Decke, vor allem bei zugezogenen Bettvorhängen und geschlossenen Läden, doch selbst im Dunkeln verspürte sie den Wunsch, das Spitzennachthemd, von dem Tante Augusta gesagt hatte, sie müsse es unbedingt tragen, zu verbergen. Emma war nicht sicher, für welche Sorte Frauen sich ein solches Gewand eignete, aber ganz gewiss war es kein Kleidungsstück für eine Dame.
Ein Donnerkrachen erschütterte das Haus. Das Gewitter war schon seit Stunden im Gange, und noch immer regnete es nicht.
Gleich würde er hier sein. Wie sollte sie Tante Augustas Ratschlag in Worte fassen? Was sollte sie Hugo sagen? Alles, was sie probiert hatte, klang gestelzt oder dumm, selbst in ihren eigenen Ohren. Sie wusste nicht einmal, wie sie ihn anreden sollte. Er hatte sie bereits zwei Mal beim Vornamen genannt, sie indes nicht aufgefordert, dasselbe zu tun.
Ruhelos zupfte sie am Betttuch. Es schien an ihrem Körper zu kleben. Wenn nur der Sturm endlich losbrechen würde.
Am besten vermied sie jede Art von Anrede. Es war wichtig, ihn im Dunkeln zu erwarten, daran erinnerte sie sich, den Grund dafür hatte sie jedoch vergessen. Tante Augusta hatte etwas von seiner Verwundung erwähnt, Jamie hingegen hatte das nicht getan. Eigentlich waren ihr Jamies Äußerungen sogar unsinniger als die von Tante Augusta erschienen. Jamie hatte gesagt, die Liebe zwischen Mann und Frau könne wunderbar sein. Sie hatte ein paar Ratschläge hinzugefügt, aber Emma hatte nichts davon verstanden. Dazu war sie zu schwach und zu müde gewesen. Und als der Kräutertee endlich die Kopfschmerzen gelindert hatte, hatte sie sich wieder bei den Hochzeitsgästen eingefunden, wo sie die glückliche Braut spielte.
Gleich würde er kommen.
Hugo lehnte sich an die Eiche und zog an seiner halb aufgerauchten Zigarre. Er holte seine Uhr hervor, doch er konnte die Zeiger nicht erkennen. Es musste sehr spät sein. Im Haus brannten nur noch wenige Lichter – und keines davon im Gästetrakt. Dort, im Dunkel, musste Emma liegen und warten.
Emma Stratton. Seine Gemahlin.
Seine Gemahlin, die sich während des Hochzeitstages wie ein Automat bewegt und wie eine Puppe ausgesehen hatte. Und die sich auch so verhalten hatte: Steif, mit großen Augen und starrem Lächeln. Die Frau, die er in der Kapelle geküsst hatte, war kalt wie Stein gewesen
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