Hohle Köpfe
»Es wird gearbeitet.«
»Ich weiß nicht, was das für einen Sinn haben sol «, sagte Angua.
»Wenn uns die Leute sehen, können sie eventuelles Beweismaterial ver-
schwinden lassen. Und selbst wenn wir Arsen finden… Was dann? Es ist
doch nicht verboten, Arsen zu besitzen.«
»Äh… ist es vielleicht verboten, so etwas zu besitzen?« flüsterte Gertie.
Ein Golem schritt durch die Straße. Er unterschied sich von al en an-
deren Golems, die sie bisher gesehen hatten. Die anderen waren alt und
durch häufige Reparaturen so formlos wie eine Lebkuchengestalt. Dieses
Exemplar hingegen sah aus wie ein Mensch. Besser gesagt, es sah so aus,
wie Menschen gerne aussehen möchten. Er ähnelte einer Statue aus wei-
ßem Ton. Und er trug eine Krone, die fest mit dem Kopf verbunden
war.
»Ich hatte recht «, hauchte Karotte. »Sie haben tatsächlich einen Golem geschaffen. Arme Burschen. Haben vermutlich geglaubt, daß sie durch
einen König frei werden.«
»Sieh dir die Beine an«, sagte Angua leise.
Während der Golem ging, bildeten sich Linien aus rotem Licht an den
Beinen und an anderen Körperstellen.
»Das sind Risse«, fügte Angua hinzu.
»Ich wußte, daß man im Ofen eines Bäckers keinen richtigen Ton brennen kann«, ließ sich Gertie vernehmen. »Er hat nicht die richtige Form !«
Der Golem öffnete eine Tür und verschwand in der Fabrik.
»Gehen wir«, sagte Karotte.
»Kommandeur Mumm hat uns angewiesen, auf ihn zu warten«, sagte
Angua.
»Ja, aber wir wissen nicht, was da drin vor sich geht«, erwiderte Karot-
te. »Außerdem begrüßt der Kommandeur Eigeninitiative. Wir können
hier nicht einfach herumstehen.«
Er huschte durch die Gasse und öffnete die Tür.
Auf der anderen Seite standen Kisten. Dazwischen war nur ein schma-
ler Durchgang. Überal um sie herum, von den Kisten gedämpft, erklan-
gen die klickenden und rasselnden Geräusche der Fabrik. Es roch nach
heißem Wachs.
Gertie hörte ein geflüstertes Gespräch, das etwa einen Meter über ih-
rem kleinen runden Helm geführt wurde.
»Wenn der Kommandeur nur nicht darauf bestanden hätte, daß wir sie mitnehmen.
Wenn ihr was passiert…«
»Wovon redest du da?«
»Nun, du weißt schon… Sie ist ein Mädchen.«
»Na und? In der Wache gibt es mindestens drei Zwerginnen, und um die machst du dir auch keine Sorgen.«
»Oh, ich bitte dich – nenn mir einen!«
»Zum Beispiel Lars Schädeltrinker.«
»Nein! Im Ernst?«
»Wil st du mich vielleicht als Lügnerin bezeichnen?«
»Aber in der letzten Woche hat er in der Taverne Des Bergmanns Arme einen Streit angefangen und die halbe Einrichtung zertrümmert!«
»Und wenn schon. Warum hältst du Frauen für schwächer? Du wärst bestimmt nicht in Sorge, wenn ich es mit einem Haufen Betrunkener zu tun bekäme.«
»Ich würde helfen.«
»Den Betrunkenen oder mir?«
»Das ist unfair!«
»Findest du?«
»Ich würde ihnen erst dann helfen, wenn du zu hart mit ihnen umspringst. «
»Ach? Und da sagt man, es gäbe keine Kavaliere mehr…«
»Wie dem auch sei: Bei Gertie liegt der Fal ein wenig… anders. Er… Ich meine, sie versteht ihr Handwerk, wenn es um Alchimie geht, doch ich bezweifle, daß sie auch kämpfen kann. Achtung…«
Sie erreichten die eigentliche Fabrik.
Kerzen bewegten sich über ihnen: Hunderte, Tausende. Sie hingen an ihren Dochten von einem langen Band aus kleinen Holzsegmenten herab, das sich in weiten Schleifen durch die ganze Hal e wand.
»Davon habe ich gehört«, sagte Karotte. »Man nennt dies eine Ferti-
gungsstraße. Damit kann man Tausende von Dingen herstel en, die prak-
tisch gleich sind. Aber seht nur die Geschwindigkeit! Es erstaunt mich,
daß die Tretmühle…«
Angua streckte den Arm aus. Neben ihr knarrte eine Tretmühle, doch
es befand sich niemand darin.
» Irgend etwas muß dies al es antreiben«, sagte Angua.
Karotte deutete in eine Richtung. An einer bestimmten Stelle in der
Hal e kamen die einzelnen Bänder zusammen und bildeten einen kom-
plexen Knoten. Darin zeichnete sich vage eine Gestalt ab, deren Arme
sich so schnel bewegten, daß sie nur noch schemenhaft zu erkennen
waren.
Neben Karotte endete die Fertigungsstraße an einem großen hölzernen
Trichter. Kerzen fielen hinein. Schon seit einer ganzen Weile war der
Behälter nicht mehr geleert worden, deshalb rol ten die Kerzen über den
Rand hinweg und bildeten bereits einen hohen Haufen auf dem Boden.
»Gertie…«, sagte Karotte langsam. »Kannst du mit
Weitere Kostenlose Bücher